rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Vollziehung von Kernbrennstoffsteuer-Anmeldungen gegen Erbringung von Sicherheitsleistungen wegen ernstlicher Zweifel infolge der Vorlagebeschlüsse des FG Hamburg an das BVerfG sowie den EuGH betreffend die Vereinbarkeit des KernBrStG mit höherrangigem Recht. AdV wegen BVerfG-Vorlage eines FG zur streitigen verfassungsrechtlichen Frage. erneuter AdV-Antrag wegen zwischenzeitlicher BVerfG-Vorlage eines anderen FG betreffend die streitige verfassungsrechtliche Frage
Leitsatz (redaktionell)
1. Angesichts der Vorlagebeschlüsse des FG Hamburg v. 29.1.2013, 4 K 270/11 zum BVerfG, 2 Bvl 6/13 sowie v. 19.11.2013, 4 K 122/13 zum EuGH, C-5/14 bestehen ernstliche, die Aufhebung der Vollziehung von Kernbrennstoffsteuer-Steueranmeldungen gegen Sicherheitsgestellung mit Wirkung zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt rechtfertigende Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit und der Unionsrechtskonformität des den Steueranmeldungen zugrunde liegenden KernbrStG insoweit, als Bedenken bezüglich der Einordnung der Kernbrennstoffsteuer als Verbrauchsteuer und demzufolge hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes sowie bezüglich der Vereinbarkeit des KernbrStG mit der Verbrauchsteuersystemrichtlinie, der Energiesteuerrichtlinie, dem europäischen Beihilferecht sowie dem EAGV bestehen. Für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kommt es nicht darauf an, wie die Entscheidung des BVerfG voraussichtlich ausgehen wird.
2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts im Hinblick auf die mögliche Verfassungswidrigkeit der dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesbestimmung können sich auch daraus ergeben, dass zwar nicht ein oberstes Bundesgericht, jedoch ein FG schon ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert und insbesondere einen Vorlagebeschluss an das BVerfG erlassen hat, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Vorlagebeschluss des FG unzulässig oder offenkundig unbegründet ist.
3. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die BFH-Rspr., wonach für eine AdV von Steuerbescheiden aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die ihnen zugrunde liegenden Vorschriften ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorliegen muss, einschlägig ist, wenn die formelle Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG insgesamt in Zweifel stehen. Soweit Zweifel an der Unionsrechtsmäßigkeit des KernbrStG bestehen, ist ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers im dargestellten Sinne nach der BFH-Rspr. ohnehin nicht erforderlich.
4. Auch wenn schon einmal beim FG im Hinblick auf die Vereinbarkeit des KernBrStG mit höherrangigem Recht ein Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung gestellt worden ist, kann aufgrund i. S. d. § 69 Abs. 6 S. 2 FGO geänderter Umstände erneut zulässigerweise ein Antrag auf Aufhebung der Vollziehung von Kernbrennstoffsteuer-Bescheiden gestellt werden, wenn nach der Erledigung des ersten Antrags ein anderes FG wegen der Vereinbarkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit höherrangigem Recht Vorlagebeschlüsse an das BVerfG sowie den EUGH gerichtet hat.
Normenkette
KernbrStG § 1 Abs. 1, §§ 2, 5 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Sätze 2-3, 6, Abs. 6 Sätze 1-2; GG Art. 19 Abs. 2, Art. 100 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2, 2a, 3, Art. 72 Abs. 2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 2; RL 2008/118/EG; RL 2003/96/EG; AEUV Art. 107; EAGV
Tenor
1. Die Vollziehung der Steueranmeldung vom … wird in Höhe des von der Antragstellerin geleisteten Anteils der Kernbrennstoffsteuer für … von … EUR ab Fälligkeit bis zum Ablauf von einem Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung in der Hauptsache … aufgehoben. Die Aufhebung der Vollziehung der Steueranmeldung vom … entfällt rückwirkend, sofern nicht bis zum … dem … gegenüber eine Sicherheit in Höhe von … EUR geleistet wird.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Beschluss ist im Kostenpunkt für die Antragstellerin vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Antragstellerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist in der Hauptsache (…), ob die Antragstellerin im … Schuldnerin von Kernbrennstoffsteuer geworden ist.
Die Antragstellerin betreibt in … zusammen mit … ein Kernkraftwerk und ist im Besitz der dafür erforderlichen atomrechtlichen Genehmigung. Im … befüllte die Antragstellerin den Kernreaktor mit Brennelementen und löste am … sich selbsttragende Kettenreaktionen aus. Die dabei verwendeten Brennelemente enthielten … Gramm …. Diesbezüglich meldete die Antragstellerin beim Hauptzollamt (HZA) mit Steueranmeldung vom … Kernbrennstoffsteuer i. H. v. … EUR zur Versteuerung an.
Gegen diese Steueranmeldung erhob die Antragstellerin Sprungklage zum Finanzgericht … (Az. …), die aufgrund übereinstimmender Anträge der Bete...