rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Aufrechnungsverbot des FA im Restschuldbefreiungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht in der so genannten Wohlverhaltensphase kein allgemeines Aufrechnungsverbot für Insolvenzgläubiger (BFH v. 7.1.2010, VII B 118/09, BFH/NV 2010, 950; BGH v. 21.7.2005, IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391).
2. Das FA hat auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger verstoßen. Selbst wenn die Vorschrift des § 294 InsO regelt, dass auch in der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens die Insolvenzgläubiger grundsätzlich gleichbehandelt werden sollen, ergibt sich daraus jedenfalls nicht, dass auch Aufrechnungen grundsätzlich ausgeschlossen sind.
Normenkette
AO § 226 Abs. 1; BGB §§ 387, 394; InsO § 201 Abs. 1, §§ 294, 89, 286
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Abrechnungsbescheid vom 8. Mai 2009.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers am 24. August 2005 meldete das FA rückständige Umsatzsteuern der Jahre 1994 bis 1997 und 2000 zur Insolvenztabelle an. Mit Beschluss vom 30. Januar 2007 wurde das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung aufgehoben und dem Antragsteller Restschuldbefreiung angekündigt. Die Restschuldbefreiungsphase endet am 24. August 2011.
Mit Umbuchungsmitteilung vom 3. Dezember 2008 erklärte das FA die Aufrechnung gegen das vom Antragsteller mit Umsatzsteuervoranmeldung für das dritte Kalendervierteljahr 2008 vom 10. November 2008 unter der Steuernummer 147/162/70727 geltend gemachte Guthaben in Höhe von 6.287,05 EUR mit Abgabenforderungen aus den Festsetzungen zur Umsatzsteuer der Jahre 1994 bis 1997 und 2000 und stellte mit Abrechnungsbescheid vom 8. Mai 2009 das Erlöschen des Guthabens fest.
Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde mit Entscheidung vom 27. November 2009 als unbegründet zurückgewiesen.
Für das dagegen beabsichtigte Klageverfahren begehrt der Antragsteller im vorliegenden Verfahren unter Vorlage einer Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Er trägt im Wesentlichen vor, das FA habe gegen das im Insolvenzverfahren geltende Gleichbehandlungsgebot im Rahmen der so genannten Wohlverhaltensphase verstoßen. Die Umsatzsteuerforderung des FA sei vor der Insolvenzeröffnung entstanden und als so genannte Insolvenzforderung nicht pfändbar. Die Aufrechnung sei daher unzulässig. Der wirtschaftliche Neuanfang, der durch die Erteilung der Restschuldbefreiung ermöglicht werden soll, werde durch die Vollstreckungsmaßnahmen des FA gefährdet.
Das Finanzamt hält den Antrag für unbegründet. Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung vom 27. November 2009.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 142 Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihrem persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung im Haupt- oder Nebenverfahren nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht dann, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für seinen Eintritt spricht (vgl. Gräber, Kommentar zur FGO, 6. Aufl., § 142 Rdn. 11 und die dort angeführten Hinweise zur Rechtsprechung).
Im Streitfall bietet die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg, da keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids und der Einspruchsentscheidung bestehen.
Das FA durfte mit seiner Gegenforderung gegen die Forderung des Antragstellers aus der Umsatzsteuervoranmeldung für das dritte Kalendervierteljahr 2008 aufrechnen. Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Aufrechnung des FA gegen einen Steuererstattungsanspruch des Antragstellers nach § 226 Abs. 1 Abgabenordnung 1977 (AO) i.V.m. § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) liegen unstreitig vor.
Die im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldeten Umsatzsteuerforderungen konnte das Finanzamt, nachdem das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 28. Januar 2003 gehoben worden war, wieder unbeschränkt geltend machen (§ 201 Abs. 1 InsO). Die angemeldeten Forderungen standen, soweit sie nicht durch eine Quote erfüllt worden waren, zur Aufrechnung zur Verfügung. Die Vorschriften über das Aufrechnungsverbot gegenüber unpfändbaren Forderungen i.S.v. § 394 BGB (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB-Kommentar, 65. Aufl. 2006, § 394 Rz. 3) und über die Restschuldbefreiung stehen dem nicht entgegen (vgl. § 201 Abs. 3 InsO).
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht in der so genannten Wohlverhaltensphase kein allgemeines Aufrechnungsverbot für Insolve...