rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Tabaksteuer. Begriffsverständnis der „Herstellung” und des „Mischens”. Wasserpfeifentabak-Imitat als Rauchtabak
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Begriffsverständnis „Herstellung” (ohne Erlaubnis) im Rahmen der Steuerentstehung und der Herstellungsbegriff als zugelassene Lagerbehandlung unter Steueraussetzung sind nicht zwingend identisch.
2. „Mischen” im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 TabStV meint das Vermischen verschiedener Steuergegenstände (z. B. Tabak unterschiedlicher Qualitäten), während ein Zufügen von weiteren Zutaten, sodass mengenmäßig ein größerer Steuergegenstand entsteht (z. B. Versetzen von Tabak mit Glyzerin) auch im Steuerlager nicht zu den in der Negativ-Liste des § 4 Abs. 3 Satz 2 TabStV aufgeführten Tätigkeiten gehört.
3. Für die Annahme steuerbaren Rauchtabaks ist entscheidend, ob der nach Hitzeeinwirkung entstehende Rauch durch Einziehen in den Mundraum bzw. Inhalation genossen werden kann; nicht die Qualität des Tabaks oder seine lebensmittelrechtliche Zulassung, sondern seine Rauchbarkeit ist für die Steuerbarkeit maßgeblich.
4. Bei summarischer Prüfung ist ernstlich zweifelhaft, ob es ausreicht, dass die Bestimmung zum Konsum sich aus der objektiven Beschaffenheit des Produkts ergibt, oder ob das Merkmal „zum Rauchen geeignet” zumindest bei Erzeugnissen im Sinne des § 1 Abs. 8 TabStG unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass ein Steuergegenstand nur dann vorliegt, wenn das Erzeugnis in Wettbewerb mit anderen tabakhaltigen Erzeugnissen tritt, also das Produkt zum Konsum in den Handel gelangen soll bzw. gelangen könnte.
Normenkette
TabStG § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 8, §§ 6, 15 Abs. 1, 2 Nr. 2; TabStV § 4 Abs. 3 S. 2 Nr. 6; EURL 64/2011 Art. 2 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2
Tenor
1. Die Vollziehung des Tabaksteuerbescheids vom 2. Dezember 2022 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens in Höhe von 48.960,21 EUR ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner zu 88 % und der Antragsteller zu 12 %.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren die Inanspruchnahme des Antragstellers als Steuerschuldner für die Herstellung von Tabakerzeugnissen nach § 1 Abs. 8 des Tabaksteuergesetzes in der im Februar 2021 anwendbaren Fassung (TabStG).
Die Herren A und B kontaktierten den Antragsteller Anfang des Jahres 2021 und stellten in Aussicht, dass durch Misch- und Verpackungsarbeiten Geld zu verdienen sei. Der Antragsteller unterrichtete davon seinen damaligen Angestellten C. Die notwendigen Maschinen (Teigrührer und Vakuumiergerät) sowie Zutaten und Verpackungsmaterial wurden von A und B zur Verfügung gestellt. Über die Ankunft des Materials unterrichtete der Antragsteller C und stellte für die Arbeiten auch einen von ihm angemieteten Lagerraum bzw. Vorraum zur Verfügung.
In der Folge fertigte C mit Mitarbeitern nach Anleitung und zunächst unter Hilfe von D und E (beide aus Ungarn) Anfang bis Mitte Februar 2021 ein Stoffgemisch aus Sägespänen versetzt mit Rinde (80 % – 90 %), Zuckersirup in 20-Liter-Eimern, rotem Farbstoff in Pulverform und Apfelaroma (insgesamt 2.520 kg). Dieses wurde von ihnen wie Wasserpfeifentabak in silberfarbenen Metallbeuteln vakuumisiert abgepackt, in Kartons verpackt und auf Paletten nach genauen Anweisungen hinsichtlich der Ausrichtung gestapelt. Da sich C über die Arbeit beschwerte, arbeitete der Antragsteller an einem Tag für ca. 5 Stunden mit. Danach beschlossen der Antragsteller und C die Arbeiten einzustellen und veranlassten die Abholung der Gerätschaften.
Das abgepackte Gemisch, gestapelt auf zunächst mit schwarzer Folie, dann mit Klarsichtfolie umwickelten Paletten, wurde am 25. Februar 2021 im Auftrag von A in ein Lager in Z transportiert.
Das wie echter Wasserpfeifentabak abgepackte Gemisch sollte nach dem Plan der Auftraggeber unter Umgehung der zollrechtlichen Nämlichkeitssicherungen gegen echten Wasserpfeifentabak ausgetauscht werden, der aus der Türkei bzw. den Vereinigten Arabischen Emiraten regulär im T1 Versandverfahren eingeführt wurde. Anschließend sollte das abgepackte Gemisch in ein Zolllager in Y eingelagert werden, bevor es (als echter Wasserpfeifentabak) wieder aus der Europäischen Union (EU) ausgeführt werden sollte.
Laut D war sogar von A angedacht, dass das Imitat zukünftig mehrmals „wiederverwendet” werden könne bzw. lt. Aktenvermerk über diese Vernehmung, dass es im Anschluss an den Austausch verbrannt würde.
Im Zuge der Ermittlungen gegen A und andere Tatbeteiligte, die den zum Versandverfahren T1 angemeldeten Wasserpfeifentabak durch Tabak-Imitat ersetzten und dies auch mit dem vom Antragsteller angemischten Imitat vorhatten, wurden am 1. Mai 2021 im Lager in Z 26 Proben der dort gelagerten Gemische entnommen und zur Begutachtung an das Bildungs- und Wissenschaftszentraum der Bundesfinanzverwaltung (bwz) weitergeleitet. Die bei der Sicherstellung abgelichteten Paletten waren – bis auf solche mit...