rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer. Schätzungsrahmen des FA
Leitsatz (redaktionell)
1. Da im Streitfall in der Rechnung Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde, obwohl sie aufgrund der Steuerfreiheit der abgerechneten Lieferung nicht dazu berechtigt war, schuldet sie die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 c Abs. 2 S. 1 UStG.
2. Bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen sind nach § 162 Abs. 1 S. 2 AO alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Die im Streitfall vorgenommene Verprobung anhand des Dieseleinsatzes stellt keine geeignete Methode dar, um die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln.
Normenkette
UStG § 14c Abs. 2 S. 1; AO § 162
Tenor
1. Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2006 vom 13. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2010 wird für die Dauer der Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage (14 K 3500/10) beim Finanzgericht München in Höhe von 2.344 EUR ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner zu 9/10 und die Antragstellerin zu 1/10.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob der Antragsgegner (Finanzamt – FA –) die Umsatzsteuer für die Jahre 2004 und 2006 nach Durchführung einer Außenprüfung zutreffend festgesetzt hat.
Die Antragstellerin betrieb in den Streitjahren ein internationales Transportunternehmen. Im Rahmen einer in der Zeit vom 3. Dezember 2008 bis 25. Februar 2009 durchgeführten Außenprüfung stellte das FA Buchführungsmängel fest. Die Kasse sei nur rechnerisch geführt worden, so dass es vor allem in den Jahren 2004 und 2005 fast durchgehend zu negativen Kassenbeträgen gekommen sei. Im Jahr 2004 sei eine Rechnung an die Firma Ü ausgestellt worden, die eine Spedition ins Drittland betroffen habe. Die Umsätze seien als steuerfrei erklärt worden, in der Rechnung sei jedoch fälschlicherweise Umsatzsteuer von 368 EUR ausgewiesen worden, die von der Antragstellerin nach § 14 c des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) geschuldet werde. Da die in den Jahren 2004 und 2005 gefahrenen Kilometer der unternehmerischen Fahrzeuge wegen fehlender Tachoscheiben nicht mehr nachvollzogen werden konnten, nahm das FA für das Jahr 2006 eine Kalkulation der Umsätze anhand gefahrener Kilometer sowie des eingesetzten Dieseltreibstoffs vor und erhöhte die Umsatzsteuer 2006 im Schätzungswege um 2.344 EUR.
Aufgrund dieser Feststellungen setzte das FA die Umsatzsteuer jeweils mit Bescheid vom 13. März 2009 für das Jahr 2004 auf einen Negativbetrag von 30.282,12 EUR und für das Jahr 2006 auf einen Negativbetrag von 21.163,68 EUR fest. Die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2005 wurde nicht geändert, ebenfalls mit Verfügung vom 13. März 2009 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung für alle Streitjahre aufgehoben.
Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug die Antragstellerin vor, dass sie ihren Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten in vollem Umfang Genüge getan habe. Sie habe nachgewiesen, dass Barzahlungen aus privaten Mitteln geleistet worden seien. Laut Auskunft der Industrie- und Handelskammer bestehe für Tachoscheiben nur dann eine Aufbewahrungsfrist, wenn sie im Unternehmen als Ursprungsbelege für die Lohnabrechung verwendet würden. Da dies jedoch bei ihr nicht der Fall gewesen sei, habe sie die Aufbewahrungsfristen nicht verletzt. Zu Unrecht habe das FA deshalb Zuschätzungen vorgenommen.
Das Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg, mit Entscheidung vom 20. April 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag wendet sich die Antragstellerin weiterhin gegen die vom FA vorgenommenen Zuschätzungen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2004 bis 2006 jeweils vom 13. März 2009 auszusetzen.
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es führt im Wesentlichen aus, dass die Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, da nach Erhebung der Klage kein erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim FA gestellt worden sei. Für die Jahre 2004 bis 2006 bestünden keine Umsatzsteuerrückstände, Vollstreckungsmaßnahmen seien nicht zu befürchten. Darüber hinaus hätten sich hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2005 im Rahmen der Außenprüfung keine Änderungen ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag hat hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2006 Erfolg.
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltun...