rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung der Umsatzsteuer im Schätzungswege
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führen selbst grobe Schätzungsfehler bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen regelmäßig nur zur Rechtswidrigkeit und nicht zur Nichtigkeit des Schätzungsbescheids.
2. Anders verhält es sich nur, wenn das FA bewusst und willkürlich zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt (vgl. BFH v. 28.12.2001, V B 148/01, BFH/NV 2002, 682).
Normenkette
AO § 162 Abs. 1, § 149 Abs. 2, § 367 Abs. 2 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2008.
Der Kläger ist als Steuerberater und Rechtsanwalt unternehmerisch tätig.
Nachdem er für das Jahr 2008 keine Umsatzsteuererklärung eingereicht hatte, setzte das Finanzamt (FA) nach vorheriger Ankündigung die Umsatzsteuer 2008 im Schätzungswege mit Bescheid vom 17. August 2009 auf 83.738,47 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei wurden Umsätze von 573.674 EUR und Vorsteuern von 25.000 EUR berücksichtigt. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2009 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Der dagegen eingelegte Einspruch wurde nicht begründet. Nach vorheriger Ankündigung setzte das FA die Umsatzsteuer 2008 im Einspruchsverfahren auf 87.835,24 EUR herauf und wies den Einspruch mit Bescheid vom 29. Dezember 2010 im Übrigen als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen eingelegten Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids vom 17. August 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 29. Dezember 2010 die Umsatzsteuer für 2008 auf 81.425,23 EUR festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer 2008 bestehen keine Bedenken.
Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln kann. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Erklärungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nachkommt.
Im Streitfall hat der Kläger die Umsatzsteuererklärung für 2008, die gemäß § 149 Abs. 2 AO grundsätzlich bis zum Ablauf des 31. Mai 2009 hätte abgegeben werden müssen, bislang nicht eingereicht. Die Schätzungsbefugnis des FA steht daher außer Frage.
Auch die Durchführung der Schätzung durch den Beklagten ist nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führen selbst grobe Schätzungsfehler bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen regelmäßig nur zur Rechtswidrigkeit und nicht zur Nichtigkeit des Schätzungsbescheids; anders verhält es sich nur, wenn das FA bewusst und willkürlich zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt (vgl. Beschluss des BFH vom 28. Dezember 2001 V B 148/01, BFH/NV 2002, 682).
Eine Schätzung ist nicht schon deswegen rechtswidrig, weil sie von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht; solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Eine Schätzung erweist sich vielmehr erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Wird eine Schätzung erforderlich, weil der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht genügt, kann sich das FA an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will. Verlässt eine überzogene Schätzung diesen Rahmen, hat dies im Allgemeinen nur die Rechtswidrigkeit der Schätzung, nicht aber bereits ihre Nichtigkeit zur Folge. Nichtigkeit ist selbst bei groben Schätzungsfehlern, die auf einer Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Zusammenhänge beruhen, regelmäßig nicht anzunehmen.
Vorliegend ist eine Willkür- oder Strafschätzung durch das FA jedoch nicht erkennbar, da es sich an den Umsätzen der Vorjahre und an den Umsätzen laut der abgegebenen Voranmeldungen für 2008 orientiert hat. Die Schätzungen knüpfen somit an die vorhandenen Informationen an. Es ist erkennbar, dass sich das FA an den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen orientieren will und diejenigen Erkenntnismittel, deren Beschaffung und Verwertung ihm zumutbar und möglich gewesen wäre, ausgeschöpft hat.
Auch hinsichtlich der Änderung des Umsatzsteuerbescheids zum Nachteil des Klägers im Einspruchsverfahren bestehen keine Bedenken. Insbesondere wurde der Kläger auf die Möglichkeit der verbösernden Entscheidung unter Angaben von Gründen hingewiesen und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, § 367 Abs. 2 Satz 2 AO.
Im Übrigen hat das FA dem Kläger ohne Vorlage von Eingangsrechnungen e...