Entscheidungsstichwort (Thema)
Treu und Glauben bei KraftStG-Änderung nach § 173 Abs 1 Nr. 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
KraftSt-Bescheide, die gegenüber dem Halter erstmals nach dem 1. Halbjahr 1996 ergangen sind, können nicht mehr später nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen fehlerhafter Einstufung des Kraftfahrzeugs als Lkw statt als Pkw rückwirkend geändert werden. Treu und Glauben stehen dem entgegen.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1; KraftStG § 8
Nachgehend
Tatbestand
Auf den Kläger wurde am 10.3.1997 ein Fahrzeug der Marke Isuzu (J), Opel Campo-S mit dem Kennzeichen ... zugelassen. Das Fahrzeug wird von einem Dieselmotor angetrieben. In den Fahrzeugpapieren ist als Fahrzeugart "Lkw offener Kasten" eingetragen. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 2.650 kg, die Nutzlast 945 kg und die Anzahl der Sitzplätze 5. Die Ladefläche ist unstreitig kürzer als der zum Personentransport bestimmte Raum.
Aufgrund der von der Zulassungsstelle im Datenträgeraustausch an den Beklagten, das Finanzamt (FA), übermittelten Daten erging am 27.3.1997 programmgesteuert ein Kraftfahrzeugsteuerbescheid, mit dem das Fahrzeug ab 10.3.1997 als Lkw nach dem zulässigen Gesamtgewicht, § 9 Abs. 1 Nr. 3 a KraftStG, besteuert wurde. Die ab 10.3.1997 unbefristet festgesetzte Steuer betrug 314 DM.
Nach Bekanntwerden der gesamten Fahrzeugdaten am 23.7.1998 (...) stellte das FA fest, daß es sich bei dem Fahrzeug um einen sog. Pick-up mit Doppelkabine handelt.
Aufgrund dieser Feststellung sah das FA die Voraussetzung für die kraftfahrzeugsteuerliche Anerkennung des Fahrzeugs als Lkw als nicht mehr erfüllt an und erließ am 6.5.1999 einen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Steuerbescheid, mit dem die Kraftfahrzeugsteuer ab 10.3.1997 rückwirkend auf jährlich 927 DM unbefristet festgesetzt wurde. Die Besteuerung erfolgte dabei nach dem Hubraum, § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG.
Mit dem Einspruch (Schreiben vom 24.5.1999, Bl. 4 f FA-Akte) machte der Kläger geltend, daß im Kfz-Brief als Fahrzeugart "Lkw offener Kasten" eingetragen sei und das Fahrzeug betrieblich und als reines Beförderungsmittel für Lasten genutzt werde. Eine Berichtigung aufgrund neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht zulässig.
Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.1999 (Bl. 16 f FA-Akte) als unbegründet zurück.
Bei einem Kraftfahrzeug mit einer Ladefläche, die offen sei (sog. offener Kasten, ggf. durch ein sog. Hardtop verschließbar), und bei dem durch eine durchgehend fest eingebaute Trennwand der Raum zur Personenbeförderung von der zur Beförderung von Gütern dienenden Ladefläche getrennt sei (sog. Pritsche oder auch Pick-up), komme es darauf an, ob die Ladefläche deutlich erkennbar die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertreffe. Diese Voraussetzung sei bei dem streitbefangenen Fahrzeug eindeutig nicht erfüllt. Eine rückwirkende Änderung der Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei in den Fällen möglich, in denen das Kfz auf den Halter nach dem 1.1.1994 erstmals zugelassen wurde. AB diesem Zeitpunkt sei zumindest im OFD-Bereich München das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs und die Herstellerkonzeption für die kraftfahrzeugsteuerliche Einstufung von Kraftfahrzeugen rechtserheblich gewesen.
Mit der Klage (Schreiben vom 20.10.1999, Bl. 1 f FG-Akte) beantragt der Kläger, den angefochtenen Änderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
§ 173 A sei im Streitfall nicht anwendbar, da sich die Ermittlung des Herstellertyps geradezu aufgedrängt habe. Da der Kläger durch die verkehrsteuerrechtliche Einstufung des Kfz als Lkw versicherungsprämienrechtlich benachteiligt sei, habe er auch im Sinne von Treu und Glauben disponiert.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Vor dem Senat hat am 2.2.2000 mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Das FA hat zu Unrecht den angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert. Treu und Glauben stehen einer solchen Änderung entgegen, da das FA seine Amtsermittlungspflicht nach § 88 AO verletzt hat.
In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, daß eine verbösernde Änderungsfestsetzung ausscheidet, wenn sie auf Tatsachen gründet, die der Finanzbehörde infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen - zunächst - unbekannt geblieben sind (vgl. BFH-Urteil vom 29.4.1997 VII R 1/97, BStBl II 1997, 627).
Zwar verlangt § 88 AO von den Finanzämtern jedenfalls für die Jahre 1994, 1995 und das 1. Halbjahr 1996 nicht, vor Erlaß eines Kraftfahrzeugsteuerbescheides ungeachtet der von den Finanzämtern von den Zulassungsstellen elektronisch übermittelten Daten ohne einen besonderen Anlaß den Fahrzeugtyp allein deshalb zu ermitteln, um die Möglichkeit auszuschließen, daß es zu unzutreffenden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Zuordnungen komme...