Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Bürgschaften als Werbungskosten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Übernahme einer Bürgschaftsverpflichtung zugunsten einer GmbH durch einen an ihr beteiligten Arbeitnehmer ist, wenn die Beteiligung nicht wegen eines nur unbedeutenden Umfangs vernachlässigt werden kann, eher durch die Gesellschafterstellung als durch den Beruf des Bürgen veranlasst.
2. Eine Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis hat die Rechtsprechung nur für ganz außergewöhnliche Umstände bejaht. Solche Umstände können z.B. vorliegen, wenn ein Gesellschafter-Gesellschafter sich im Hinblick darauf verbürgt, dass er sich in seiner spezifischen Funktion als Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig gemacht hat, oder wenn er sich im Hinblick auf eine Tätigkeit als Geschäftsführer verbürgt hat, die seine Inanspruchnahme als Haftender rechtfertigen würde.
3. Unbedeutend ist eine Beteiligung von 1 bis 5 %, nicht aber eine Beteiligung von mehr als 10 % des Stammkapitals.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Kläger sind Ehegatten, die von dem Beklagten (dem Finanzamt) im Streitjahr 1993 mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Der Kläger war seit 1978 zu 1/3 an der Firma GmbH beteiligt, die er auch mitbegründet hatte. Bis 30. März 1988 war er Mit-Geschäftsführer. Die GmbH stellte optisch-elektronische Meßgeräte her, an deren Entwicklung der Kläger maßgeblich beteiligt war. Zu Beginn des Jahres 1988 war die Gesellschaft überschuldet.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Juli 1988 verkauften der Kläger und die Herren D und L, die ebenfalls jeweils zu 1/3 an der GmbH beteiligt waren, ihre Geschäftsanteile an die Aktiengesellschaft H. K (AG H.K.). Der Kaufpreis betrug 1 DM.
Die Firma wurde danach in GmbH (O GmbH) geändert. Das Stammkapital wurde von dem Alleingesellschafter, der AG H.K., auf 800.000 DM erhöht. Für die GmbH wurden für 3.988 und 1989 Verluste in Höhe von 659.172 DM bzw. 372.814 DM erklärt. Nach Übernahme durch die H.K. AG war der Kläger weiterhin als Arbeitnehmer beschäftigt.
Mit notariellem Vertrag vom 26. Oktober 1989 verkaufte die AG K.H. die von ihr gehaltenen Geschäftsanteile an der O GmbH an den Kläger und die Herren L und D. Der Kläger erwarb Geschäftsanteile im Nominalwert von insgesamt 100.000 DM, die Herren L und D in Höhe von 300.000 DM bzw. 400.000 DM. Der Kaufpreis für alle übertragenen Geschäftsanteile zu insgesamt nominal 800.000 DM betrug 1 DM.
Zur Sicherung eines von der Raiffeisenbank der O GmbH gewährten Kredits hatten der Kläger und die Herren L und D in 1990 je eine Bürgschaft in Höhe von 100.000 DM (Kläger) bzw. 300.000 DM (L) bzw. 400.000 DM (D) übernommen.
In 1993 wurde der Kläger aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Entgegen seinem Antrag berücksichtigte das Finanzamt die vom Kläger getragenen Aufwendungen in Höhe von 100.000 DM nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Auf den Einkommensteuer-Bescheid 1993 vom 30. November 1995 wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Zur Begründung der Klage wird im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei der Ansicht, daß die Übernahme der Bürgschaft durch die Arbeitnehmerstellung und nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt gewesen sei. Er sei nicht Geschäftsführer gewesen. Als Gesellschafter mit einem Gesellschaftsanteil von 12,5 % habe er keinerlei Einflußmöglichkeit auf die Entscheidungen der Gesellschaft gehabt.
Zwischen seinen Bezügen und der Bürgschaftsverpflichtung läge auch kein wirtschaftliches oder finanzielles Mißverhältnis vor. Der 1989 erworbene Gesellschaftsanteil sei aufgrund der von Anfang an fehlenden Substanz und der vorausgegangenen erheblichen Verluste wertlos gewesen. Mit ausschüttungsfähigen Gewinnen habe nicht gerechnet werden können. Dies mache deutlich, daß die Bürgschaft nicht zur Sicherung des GmbH-Anteils, sondern nur zur Sicherung des Arbeitsplatzes gegeben worden sei. Welcher Gesellschaftsfremde würde denn für einen Gesellschaftsanteil, dessen Anschaffungskosten 1 DM betragen würden und der mit Verlusten und Konkursrisiken behaftet sei, zur Erhaltung des GmbH-Anteils eine Bürgschaft in Höhe von 100.000 DM gewähren?
Die Anteile an der Gesellschaft seien für ihn nicht von Interesse gewesen, weil diese nicht veräußerbar gewesen seien. Denn mit zwei knapp vermiedenen Konkursen innerhalb von zwei Jahren und mehreren Eigentümern, die jeweils riesige Verluste erlitten hätten, sei kein Gesellschaftsfremder vorstellbar, der mit dem Wissen der Vorgeschichte bereit gewesen wäre, überhaupt eine Mark für einen solchen Gesellschaftsanteil zu bezahlen.
Unter diesen Umständen sei nicht daran zu denken gewesen, daß aus den Gesellschaftsanteilen kurz- oder langfristig eine Verzinsung in Form von Gewinnausschüttungen möglich sein werde.
Im Jahre 1989 sei der Kläger 50 Jahre alt gewesen. Er habe Spezialkenntnisse gehabt, die nur im Zusammenhang mit der ...