rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Stromsteuerbefreiung. „Betreibenlassen” beim Contracting
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Gesetzeszweck legt es nahe, die Begriffe „Betreiben” und „Betreibenlassen” in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG auf das Contracting zu beziehen, wobei der Contractor als der Betreiber und der Contractingnehmer als derjenige anzusehen ist, der die Anlage (hier eine Biogasanlage) betreiben lässt.
2. Das Betreibenlassen setzt nicht voraus, dass das wirtschaftliche Risiko der Anlage getragen werden muss; vielmehr dient das Contracting auch dazu, Risiko vom Contractingnehmer auf den Contractor zu verlagern.
Normenkette
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid vom 23. Juni 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 09. August 2016 werden dahingehend abgeändert, dass die Stromsteuer für das Jahr 2013 auf 82.840,93 EUR festgesetzt wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Gemeinde. Ihre Stadtwerke versorgen als Eigenbetrieb kommunale Abnahmestellen unter anderem mit Strom und Wärme.
In der Stadtratssitzung vom 16. April 2007 beriet der Stadtrat erstmals über die zukünftige Energieversorgung für den Bäder- und Schulbereich, und insofern über die Inbetriebnahme verschiedener Anlagearten, u.a. Biogasanlagen. Weiter befasste er sich in den Sitzungen vom 18. Mai 2009 und 12. Oktober 2009 mit dem Thema Heizungsanlagen und den zur Verfügung stehenden Alternativen; er kam überein, das Schulgebäude an eine Biogasanlage (Blockheizkraftwerk – BHKW –) anzuschließen. Im Folgenden wurde erwogen, die Nahwärmeversorgung durch einen privaten Dritten vornehmen zu lassen, während die Klägerin selbst das hierfür erforderliche Nahwärmenetz erstellen und finanzieren sollte. Aufgrund bereits laufender Gespräche mit Interessenten beschloss der Stadtrat in einer weiteren Sitzung am 16. November 2009 die Erarbeitung eines konkreten Anforderungskatalogs für die möglichen Betreiber, die konkrete Standortsuche und die Klärung des möglichen Planungsablaufs. In der Sitzung vom 15. März 2010 entschied er sich für die Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes. Auf die daraufhin folgende Ausschreibung meldete sich die … GmbH & Co. KG (im folgenden KG) als Interessentin.
Die Klägerin schloss am 15. März 2011 mit der KG einen Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Nach § 3 des Vertrages betrifft das Vorhaben die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage. Gemäß § 4 Abs. 1 des Vertrages verpflichtet sich die KG zur Durchführung des Vorhabens nach den Regelungen dieses Vertrages und den zukünftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes; gem. § 4 Abs. 2 musste die KG spätestens 9 Monate nach erteilter bau- oder immissionsrechtlicher Genehmigung mit dem Vorhaben beginnen und dieses innerhalb von 24 Monaten fertigstellen.
Zudem vereinbarten die Klägerin und die KG am 27. Juli 2011 einen Wärmeliefervertrag, nach dessen § 1 Abs. 1 die KG der Klägerin Wärme aus dem Betrieb der Biogasanlage zur Verfügung stellt; nach § 1 Abs. 2 verpflichtet sich die KG, die in ihrem Eigentum stehenden technischen Anlagen über die Vertragslaufzeit dauernd betriebsfähig zu halten. Gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages liefert die KG die Wärme das gesamte Jahr über entsprechend dem Bedarf der Klägerin, wobei nach § 3 Abs. 2 eine Abnahmeverpflichtung von Wärme für die Klägerin nicht besteht, die KG hingegen eine Liefergarantie von mindestens 2,5 GWh je Jahr abgibt. Gemäß § 11 läuft der Vertrag bis 31. Dezember 2021; danach ist ein weiterer Vertrag zu verhandeln.
Ferner schloss die GmbH mit der KG einen Vertrag über den Anschluss der Biogasanlage an das Stromnetz und die Einspeisung von Strom (im Folgenden Einspeisevertrag) ab. Gemäß 3.4 des Vertrages stellt die KG der Klägerin den in ihrer Anlage erzeugten Strom zur Verfügung. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 20 Jahren und kann mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden.
Die KG erstellte die Anlage, die eine elektrische Nennleistung von 0,6 MW hat, auf einem von der Klägerin erworbenen Grundstück. Sämtliche in der Biogasanlage erzeugten Wärme- und Strommengen lieferte die KG an die Klägerin. Den Strom speiste die KG in das der Klägerin gehörende Netz ein. Letztere veräußerte den Strom an Letztverbraucher, welche diesen in einem Radius von 4 km um die Biogasanlage entnahmen.
In ihrer Stromsteueranmeldung für das Jahr 2013 erklärte die Klägerin den in der Biogasanlage erzeugten Strom als gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Stromsteuergesetzes (StromStG) steuerfrei und berechnete eine Steuer in Höhe von insgesamt 82.840,93 EUR.