Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für palästinsensiche Flüchtlinge (UNRWA-Flüchtlinge);. Kindergeld für Staatenlose
Leitsatz (amtlich)
1. Ein palästinensischer Volkszugehöriger, der im Besitz eines Flüchlingsausweises der UNRWA ist und sich mit einer ihm befristet erteilten Aufenthaltsbefugnis im Inland aufhält, ist nicht schon allein dadurch kindergeldberechtigt, dass er nach seinem Vortrag wegen des Wegfalls des Schutzes der UNRWA nach Art. 1 D Abs. 2 der Genfer Konvention (GK) „ipso facto” unter die Bestimmungen der GK fällt. Erforderlich ist auch in diesem Fall ein Anerkennungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.
2. Ein Kindergeldanspruch auf Grund der Bestimmungen des Staatenlosenübereinkommens (StlÜbk)setzt jedenfalls die Anerkennund als Staatenloser voraus. Die verbindliche Feststellung über die Anerkennung als Staatenloser erfolgt mit Erteilung eines Reiseausweises nach Art. 28 StlÜbk.
Normenkette
EStG 2000 § 62 Abs. 2 S. 1; AuslG § 30; AsylVfG § 3; GG Art. 3
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 25.02.2008; Aktenzeichen III R 51/02) |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger als Flüchtling oder als Staatenloser Anspruch auf Kindergeld hat.
Der Kläger ist palästinensischer Volkszugehöriger. Er hat gemeinsam mit seiner Frau, ebenfalls einer palästinensischen Volkszugehörigen, vier Kinder. Am 17. August 2000 beantragte der Kläger für die vier Kinder Kindergeld. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 lehnte das beklagte Arbeitsamt – Familienkasse – den Kindergeldantrag ab, weil der Kläger nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (§ 15 Ausländergesetz – AuslG–) oder einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG) ist. Mit dem dagegen eingelegten Einspruch macht der Kläger geltend, staatenloser Flüchtling i.S. der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) zu sein, sich als solcher rechtmäßig im Inland aufzuhalten und nicht der zusätzlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu bedürfen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. November 2000).
Mit der Klage trägt der Kläger vor, zwar sei er weder als Asylberechtigter anerkannt, noch genieße er die Rechtsstellung des § 51 Abs. 1 AuslG. Er sei jedoch Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention (GK). Dies ergebe sich daraus, dass der aus dem Gaza-Streifen stammende Kläger sich zunächst zum Zwecke der Ausbildung in Ägypten aufgehalten habe und dort einen Flüchtlingspass der UNRWA erhalten habe. Später sei er zu Studienzwecken nach Deutschland ausgereist, wo er sich seitdem aufhalte. Zunächst habe Ägypten den Flüchtlingspass und die Rückkehrberechtigung nach Ägypten verlängert. Später dann habe sich Ägypten auf den Standpunkt gestellt, nicht mehr für Palästinenser zuständig zu sein und habe ihm die Rückkehrberechtigung, die Verlängerung seines Passes und die Ausstellung eines Visums verweigert. Auch eine unmittelbare Rückkehr in den Gaza-Streifen sei unmöglich gewesen. Deshalb habe er von Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung in Form einer Aufenthaltsbewilligung erhalten. Durch den Wegfall des Schutzes der UNRWA sei der Kläger nach Art. 1 D Abs. 2 der GK „ipso facto” unter die Bestimmungen der GK gefallen. Folge man dieser Auffassung nicht, so sei er zumindest Staatenloser i.S. von Art. 1 Abs. 1 des Staatenlosenübereinkommens (StlÜbk) und habe als solcher Anspruch auf Kindergeld. Folge man auch dem nicht, so ergebe sich ein Kindergeldanspruch nach dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, weil dem vergleichbaren Personenkreis der GK-Flüchtlinge und Staatenlosen, die ebenfalls nur eine Aufenthaltsbefugnis besäßen, Kindergeld gewährt werde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 12. Dezember 2000, vom 27. April 2001, vom 3. August 2001 und 9. November 2001 und vom 4. Dezember 2001 nebst Anlagen Bezug genommen. Zum Beweis seiner Flüchtlingseigenschaft legt der Kläger eine Kopie einer Registrierkarte der UNRWA, ausgestellt im Juli 1983, vor. Zum Beweis seines Status als Staatenloser legte der Kläger ein Schreiben des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. Juli 2001 vor. Auf Anfrage des Berichterstatters teilte der Kläger mit, nicht im Besitz eines Reiseausweises gemäß Art. 28 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GK) zu sein, da er nicht Flüchtling im Sinne der GK sei. Auch sei er nicht im Besitz eines Reiseausweises gemäß Art. 28 des StlÜbk mit einer Feststellung gemäß § 1 des Anhangs zum Übereinkommen, weil sich die Stadt München weigere, ein solches Dokument auszustellen. Er werde deshalb Klage zum Verwaltungsgericht einreichen. Für die Kindergeldberechtigung komme es darauf jedoch nicht an, weil die Feststellung der Staatenlosigkeit im Reiseausweis nicht konstitutiv sei. Vielmehr sei der Betreffende de jure staatenlos. Sollte es nach Auffassung des Gerichts jedoch auf dieses Dokument ankommen, werde eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des Verwaltungsrechtsstreits angeregt.