rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskostenabzug für doppelte Haushaltsführung, häusliches Arbeitszimmer, Reisekosten und Reinigung von Kleidung eines Priesters
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO zulässig, wenn das FA eine Teileinspruchsentscheidung erlassen hat und mit der Klage (auch) Punkte, über die in der Teileinspruchsentscheidung nicht entschieden worden ist, aufgegriffen werden, wenn kein zureichender Grund für das FA mehr besteht, über diese Punkte nicht zu entscheiden.
2. Ein nicht verheirateter Arbeitnehmer hat am Wohnort seiner Eltern nicht mehr seinen Lebensmittelpunkt, wenn er am Beschäftigungsort über eine deutlich größere Wohnung verfügt und die Entfernung zwischen Wohnort und Beschäftigungsort nur ca. 73 km bzw. 45 km beträgt.
3. Für einen (katholischer) Priester bildet das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung.
4. Einem (katholischen) Pfarrer steht für seine berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz Sinne von § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG zur Verfügung, wenn er im Pfarrhaus über ein Büro verfügt, das von Besuchern in Angelegenheiten der Pfarrei aufgesucht wird und in dem die Pfarrsekretärin arbeitet.
5. Reisekosten zu einem Urlaubsort kann ein Priester nicht als Werbungskosten abziehen, auch wenn er an diesem Ort in der dortigen deutschen Pfarrgemeinde die Urlaubsvertretung übernimmt.
6. Die Kosten der Reinigung der von einem (katholischen) Priester getragenen Priesterkleidung stellen keine Werbungskosten dar.
Normenkette
AO § 366 Abs. 2a; FGO § 46 Abs. 1; EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5, Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6
Tenor
1. Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2009 vom 14. August 2009 (2006), 8. Januar 2010 (2007-2008), 27. Mai 2010 (2009) in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 10. Juni 2013 wird die Einkommensteuer 2006 auf 7.413 EUR, die Einkommensteuer 2007 auf 7.862 EUR, die Einkommensteuer 2008 auf 9.394 EUR und die Einkommensteuer 2009 auf 11.910 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 94 % und der Beklagte zu 6 %.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger war bis August 2008 als Kaplan der Pfarrei P und ab 01.09.2008 als Pfarrer der Pfarrei R tätig und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Dem Kläger wurde als katholischer Geistlicher von seinem Arbeitgeber, dem Bischöflichen Ordinariat der Diözese Passau, unentgeltlich eine Dienstwohnung überlassen, für die in den Lohnabrechnungen ein geldwerter Vorteil lohnversteuert wurde.
Strittig sind verschiedene von ihm geltend gemachte Werbungskosten bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit im Rahmen der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2006 – 2010:
- Der Kläger machte in den Einkommensteuererklärungen für sämtliche Streitjahre die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers als Werbungskosten geltend. Für seine Dienstwohnung in P (Zeitraum 2006 bis August 2008) gab er eine Wohnfläche von 88,27 m² und eine Fläche des Arbeitszimmers von 15,41 m² und somit ein Anteil des Arbeitszimmers von 17,46 % an. Für die Dienstwohnung in R gab er eine Wohnfläche von 275,69 m² und eine Fläche des Arbeitszimmers von 97,12 m² und somit ein Anteil des Arbeitszimmers von 35,32 % an. Das Arbeitszimmer bilde nach seinen Angaben jeweils den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung. Daraus errechnete er Werbungskosten i.H.v. 1.646,19 EUR (2006), 2.140,08 EUR (2007), 3.107,84 EUR (2008), 3.419,09 EUR (2009) und 3.419,09 EUR (2010). Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer nicht, da seiner Auffassung nach das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Klägers bilde und ihm im Pfarrhaus ein anderer Arbeitsplatz im Sinne von § 4 Abs. 5 Nr. 6b Einkommensteuergesetz (EStG) zur Verfügung stehe.
- In den Streitjahren 2006 – 2008 machte der Kläger Reisekosten nach T i.H.v. 1.141 EUR (2006), 1.358 EUR (2007) und 1.115 EUR (2008) als Werbungskosten geltend. Der Kläger hatte jeweils von Ende Juli bis Mitte August die Sommervertretung für den auf T tätigen Seelsorger der deutschen Kirchengemeinde übernommen und hierfür keine Kostenerstattung erhalten. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Reisekosten nicht als Werbungskosten an.
Für das Streitjahr 2009 machte der Kläger Aufwendungen i.H.v. 317 EUR geltend, die ihm für einen von ihm organisierten Pfarrausflug der Pfarrgemeinde R vom 01.06.2009 bis 05.06.2009 entstanden sind. Das Finanzamt erkannte diese Kosten nicht als Werbungskosten an. Ebenfalls nicht anerkannt wurden die für 2009 und 2010...