rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Mobile Mahl- und Mischtätigkeit unter Beifügung von Zutaten ist eine einheitliche Leistung. Werklieferung zum ermäßigten Steuersatz bei Beifügung wesensbestimmender Futtermittelzusätze
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der mobilen Mahl- und Mischtätigkeit von Getreide unter Beifügung von Zutaten liegen einheitliche Leistungen vor, weil dabei zwei Handlungen stattfinden, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden.
2. Bei einer sog. einheitlichen Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch Dienstleistungselemente beinhaltet, ist bei einer Gesamtbetrachtung das Wesen des Umsatzes zu ermitteln.
3. Das Lieferelement der einheitlichen Leistungen übersteigt das Dienstleistungselement, wenn bei der Mahl- und Mischtätigkeit dem von dem Kunden beigestellten Getreide wesensbestimmende Futtermittelzusätze beigefügt werden; in diesen Fällen liegt jeweils eine Werklieferung vor, die dem ermäßigten Steuersatz unterfällt.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, 4 S. 1, Abs. 9 S. 1, § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1
Tenor
1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2007, 2008 und 2009, jeweils vom 4. April 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 2013 werden dahingehend geändert, dass der ermäßigte Steuersatz auf diejenigen Mahl- und Mischleistungen des Klägers angewendet wird, in denen die vom Kläger selbst beschafften und beigemischten Zusatzstoffe Bestandteile im Sinne der Tz. II.1.b.ee der Urteilsgründe dieser Leistungen waren. Eine Ausnahme hiervon ist zu machen, soweit der Kläger eine höhere Steuer gesondert ausgewiesen hat.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten nach Maßgabe der in Tz. II.1.b.ee der Urteilsgründe dargelegten Grundsätze und der vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Auszüge aus seiner Buchhaltung übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob und inwieweit bestimmte Leistungen des Klägers dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Der Kläger betreibt einen Getränkemarkt sowie einen Mahl- und Mischbetrieb für Tierfutter als Einzelunternehmen. Mit seiner mobilen Mahl- und Mischanlage bearbeitete er auf landwirtschaftlichen Betrieben das von den Landwirten bereitgestellt Getreide. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wurden vom Kläger im Rahmen des Mahl- und Mischvorgangs selbst mitgebrachtes Raps- oder Sojaöl und Zusatzstoffe entsprechend dem Auftrag und den Bedürfnissen des jeweiligen Landwirts dem Getreide beigemischt. Umsatzsteuerrechtlich behandelte der Kläger dies als Materiallieferung und unterwarf diese dem ermäßigten Steuersatz; die Mahl- und Mischleistung wurde auf derselben Rechnung separat ausgewiesen und dem Regelsteuersatz unterworfen.
Im Einzelnen führte der Kläger in den Streitjahren vier verschiedene Leistungen aus, dies waren:
(1) |
die reine Mahl- und Mischtätigkeit von Getreide ohne Beifügung weiterer Zutaten; |
(2) |
die Mahl- und Mischtätigkeit nur unter Beifügung von Raps- und Sojaöl (Pflanzenöl); |
(3) |
die Mahl- und Mischtätigkeit unter Beifügung (i.d.R. neben Pflanzenölen) von als Goldhefe, FM-Spezial, BM-Mix, Super-Mix, Legehennenmineral, Na-Bi-Plus, N-SE-Extra, E-SE Extra, Profimast-Phytase, Acidomix-Phos, Amino-Trio Ferkel, Probi Lac Zucht, Zuchtkraft, EF Bio Plus 64, Dextrose (Traubenzucker), Kombi-Hefe, MK-Hefe, ADE-18 E-SE, Caro-Vit, BoviSan 5000, Schafmineralfutter SL-B, Gala-Nährmilch, Amino Trio Zucht Phytase, Quattro Speed, Pig Plus (Schweinemineral), Naturmine Viereins, Basis-S-Bio und Power Drink bezeichneten weiteren Zutaten sowie |
(4) |
der reine Verkauf von Futterzusätzen. |
In seinen Umsatzsteuererklärungen für 2007, 2008 und 2009 errechnete der Kläger eine Umsatzsteuer
- von EUR (für 2007), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von EUR,
- von (für 2008), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von EUR und
- von EUR (2009), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von EUR.
Nach der Durchführung einer Außenprüfung (Bericht vom 13. Februar 2012) setzte der Beklagte (das Finanzamt; im Folgenden: FA) die Umsatzsteuer mit Änderungsbescheiden jeweils vom 4. April 2012 für 2007 auf EUR, für 2008 auf EUR und für 2009 auf EUR fest. Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erkannte das FA nur noch in Höhe von:
- EUR (2007),
- EUR (2008) und
- EUR (2009)
an und unterwarf die übrigen Leistungen des Klägers (vorgenannte Fallgruppen 1 bis 3) dem Regelsteuersatz, weil es sich bei den Mahl- und Mischvorgängen unter der Beifügung von Pflanzenöl und Zusatzstoffen um einheitliche Werkleistungen handele, die als sonstige Leistungen dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien.
Gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 4. April 2012 war der am 3. Mai 2012 beim FA eingegangene Einspruch gerichtet.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20. März 2013 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Dagegen ist die Klage vom 19. April 2013 gerichtet.
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