Entscheidungsstichwort (Thema)
Unionsrechtskonformität der Belastung ausländischer Pensionsfonds, die Dividenden von inländischen Kapitalgesellschaften beziehen, mit Kapitalertragsteuer (Nachfolgeentscheidung zu dem aufgrund des Vorabentscheidungsersuchen des FG München, Beschluss v. 23.10.2017, 7 K 1435/15, EFG 2017 S. 1963, ergangenen Urteils, EUGH, Urteil v. 13.11.2019, C-641/17
Leitsatz (redaktionell)
Ein ausländischer Pensionsfonds (hier: Common Law Trust kanadischen Rechts, Streitjahre 2007 bis 2010) hat keinen Anspruch auf Entlastung vom Abzug der Kapitalertragsteuer auf die ihm zugeflossenen Dividenden aus inländischen Streubesitzbeteiligungen wegen Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit nach den Grundsätzen des EuGH, Urteil v. 13. 11.2019, C-641/17, wenn er in seinen Bilanzen keine gewinnmindernden Rückstellungen für die Altersversorgung bildet, sondern lediglich in den Erläuterungen zum Jahresabschluss die versicherungsmathematisch berechnete Höhe der Pensionsverpflichtungen zum Bilanzstichtag ausweist und deswegen mit einem deutschen Pensionsfonds nicht vergleichbar ist (Anschluss an EUGH, Urteil v. 13.11.2019, C-641/17).
Normenkette
AEUV Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1, Art. 65; KStG § 21a Abs. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e, § 43 Abs. 1, 4, § 43a Abs. 1 Nr. 1, § 44a Abs. 9, § 50d; HGB § 341f Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Es handelt sich um den Sachverhalt des Rechtsstreits, über den der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts München (Beschluss vom 23. Oktober 2017 7 K 1435/15, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2017, 1963) durch Urteil vom 13. November 2019, Rs. C-641/17 „…” (ABl EU 2020, Nr. C 10, 3, DStR 2019, 2463, IStR 2019, 933) entschieden hat.
Die Klägerin ist eine Vermögensmasse in der Rechtsform eines Common Law Trust kanadischen Rechts. Ihr Geschäftszweck ist die Gewährleistung der Altersversorgung ehemaliger Angestellter des öffentlichen Dienstes der Provinz …. Sie hält indirekt über die Beteiligung an sog. Pool Investment Portfolios (Pools) Anteile an deutschen Aktiengesellschaften. Die Anteile werden über einen Treuhänder, die Anlageverwaltungsgesellschaft B, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach kanadischem Recht, gehalten, welche die Anteile über ein auf sie lautendes Depot bei einer Bank in London verwahrt. Als Investmentmanager und Treuhänder trifft B die Anlageentscheidungen bezüglich des Vermögens des Pools.
In den Jahren 2007-2010 hielt die Klägerin in der vorgenannten Weise Streubesitzbeteiligungen an deutschen Aktiengesellschaften (AG's) und war an keinem Unternehmen zu mehr als 1 % beteiligt. Auf die in diesem Zeitraum aus diesen Beteiligungen bezogenen Dividenden wurde, nach Erstattung der Differenz zum Steuersatz von 15 % gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada (DBA-Kanada) vom 28. März 2002 (Bundessteuerblatt – BStBl – II 2002, 670), deutsche Kapitalertragsteuer i.H.v. 156.280,10 EUR einbehalten.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 23. Dezember 2011 bei dem ursprünglich zuständigen Finanzamt München den Erlass eines Freistellungsbescheids sowie die Erstattung von zuletzt 156.280,10 EUR Kapitalertragsteuer nebst Zinsen in Höhe von 6 % aus 36.786,00 EUR ab 1. Januar 2008, aus 60.758,10 EUR ab 1. Januar 2009, aus 24.869,00 EUR ab 1. Januar 2010 und aus 33.867,00 EUR ab 1. Januar 2011. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt München mit Verwaltungsakt vom 26. Mai 2014 ab. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit ihrer dagegen eingelegten Klage begehrt die Klägerin den Erlass eines Freistellungsbescheids hinsichtlich des Kapitalertragsteuerabzugs für die Jahre 2007-2010 sowie die Erstattung der bereits entrichteten Kapitalertragsteuer nebst Zinsen und beruft sich zur Begründung darauf, dass sie durch die Belastung mit deutscher Kapitalertragsteuer gegenüber einem deutschen Pensionsfonds benachteiligt werde, da deutsche Pensionsfonds Dividenden faktisch steuerfrei vereinnahmen könnten. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung verstoße gegen die auch gegenüber Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 i.V.m. Art. 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), ohne dass es hierfür einen Rechtfertigungsgrund gebe.
Mit Beschluss vom 23. Oktober 2017 (veröffentlicht in EFG 2017, 1963 sowie Internationales Steuerrecht – IStR 2017, 1039) beschloss das erkennende Gericht das Verfahren nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen und dem EuGH gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
„1. Steht die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 65 AEUV den Regelungen eines Mitgliedsstaates entgegen, durch die eine gebietsfremde Einrichtung der betrieblichen Altersv...