Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Billigkeitserlass für die Steuerschulden eines steuerlichen Laien bei Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit. mehrjähriger Nichterfüllung aller steuerlichen Pflichten im Vertrauen auf eine unzutreffende Auskunft des früheren Arbeitgebers und Vollschätzung der Besteuerungsgrundlagen
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind die Steueransprüche, deren Erlass beantragt wird, bereits vollständig getilgt worden, so sind für die Prüfung eines Erlasses aus persönlichen Gründen die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tilgung maßgebend; es ist demnach erforderlich und ausreichend, dass die Einziehung der Forderung im Zeitpunkt der Zahlung der Steuern unbillig war.
2. Hat ein Steuerpflichtiger eine unternehmerische Tätigkeit aufgenommen und trotz der Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung und des Ergehens von Schätzungsbescheiden fast drei Jahre lang sämtliche steuerlichen Pflichten (u. a. Buchführung, Angabe von Steuererklärungen) nicht erfüllt sowie auch keine Rechtsbehelfe eingelegt, so ist er auch dann nicht persönlich erlasswürdig, wenn er sich als steuerlicher Laie hinsichtlich der Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten vollumfänglich auf seinen ehemaligen Arbeitgeber verlassen hat, der ihn angeblich zur Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit gedrängt und ihm die Übernahme der Erfüllung der steuerlichen Pflichten zugesagt hat.
3. Eindeutige Versäumnisse eines Steuerpflichtigen während des Festsetzungsverfahrens, z. B. wenn gegen Schätzungsbescheide nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt wird, können nicht im Billigkeitswege zu seinen Gunsten korrigiert werden. Ein Billigkeitserlass kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wenden; diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen im Rahmen einer Außenprüfung eine Vollschätzung durchgeführt werden musste, hierbei die vorliegenden Beweismittel berücksichtigt wurden und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer „Strafschätzung” ersichtlich sind.
Normenkette
AO §§ 227, 5, 162; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist ein Teilerlass der Umsatzsteuer und Einkommensteuer für 2001.
Die verheirateten Kläger wurden beim Finanzamt zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der seit 20 Jahren in Deutschland lebende Kläger betrieb – nach jahrelanger nichtselbständiger Tätigkeit – vom 22. Mai 2001 bis zum 16. Dezember 2003 ein Unternehmen mit der Tätigkeit im …. Ab dem 13. Januar 2004 war der Kläger wieder nichtselbständig tätig.
Umsatzsteuervoranmeldungen sowie eine Umsatzsteuer- und Einkommensteuerjahreserklärung wurden vom Kläger bzw. von den Klägern für das Jahr 2001 zunächst nicht abgegeben. Nach Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung (Prüfungsbericht vom 23. April 2003) setzte das damalige Finanzamt mit Bescheiden vom 12. Mai 2003 über Umsatzsteuervorauszahlungen für Juni 2001 bis März 2003 Umsatzsteuernachzahlungen in Höhe von insgesamt … EUR mit einer Fälligkeit zum 22. Mai 2003 fest. Mit Bescheiden vom 16. Juli 2003 wurde dann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Umsatzsteuer 2001 auf … EUR und die Einkommensteuer 2001 auf … EUR festgesetzt. Gegen diese Bescheide wurde kein Einspruch eingelegt.
Wegen Nichtzahlung dieser Steuerforderungen betrieb das hier beklagte Finanzamt, vormals das Zentralfinanzamt (im Folgenden: FA) ab dem August 2003 die Vollstreckung, unter anderem dadurch, dass Pfändungs- und Einziehungsverfügungen an Drittschuldner ausgebracht wurden. Durch verschiedene Zahlungen von Drittschuldnern wurde unter anderem die Umsatzsteuer 2001 noch im Jahr 2003 vollständig getilgt. Die rückständige Einkommensteuer 2001 wurde gleichfalls noch im Jahr 2003 in Höhe von … EUR getilgt, indem sie mit anrechenbaren Steuerabzügen für Bauleistungen an eine Firma … verrechnet wurde. Weitere Pfändungen blieben aber ohne Erfolg. Am 23. Januar 2004 leistete der Kläger zu 1. vor dem FA die eidesstattliche Versicherung.
Am 25. Mai 2004 hob das Finanzamt mit Umsatzsteuerbescheid für 2001 und Einkommensteuerbescheid für 2001 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Auch hiergegen legten die Kläger keine Einsprüche ein.
Am 16. Mai 2005 reichten die Kläger ihre Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen für 2001 bis 2003 ein. Die Steuerfestsetzungen für 2002 und 2003 wurden vom damaligen Finanzamt entsprechend den eingereichten Erklärungen geändert. Wegen der Bestandskraft der Festsetzungen für die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer 2001 unterblieb aber für diese Zeiträume eine Änderung. Die sich aus den Änderungen für 2002 und 2003 ergebenden Erstattungsbeträge wurden mit den verbliebenen Steuerrückständen verrechnet; unter anderem am 6. Juni 2005 mit der noch unbezahlten Einkommensteuer 2001 in Höhe von … EUR. Damit w...