Entscheidungsstichwort (Thema)
getrennte Veranlagung auch ohne Abgabe von zwei getrennten Steuererklärungen. Ausübung der Wahl einer getrennten Veranlagung. Einkommensteuer 1999
Leitsatz (amtlich)
1. Haben Ehegatten in einer gemeinsam unterschriebenen Steuererklärung zunächst die getrennte Veranlagung, in einer neuen Einkommensteuererklärung dann Zusammenveranlagung und im Einspruchsverfahren durch ihren Bevollmächtigten wieder die getrennte Veranlagung beantragt, so ist eine getrennte Veranlagung durchzuführen. Das gilt auch dann, wenn der Bevollmächtigte die Abgabe von zwei getrennten Steuererklärungen für die Ehegatten verweigert, aber in einem gesonderten Schreiben Angaben zur beantragten Aufteilung der Einkünfte und der Sonderausgaben macht.
2. Wird von Ehegatten einvernehmlich die getrennte Veranlagung beantragt, aber die gesetzlich vorgeschriebenen Abgabe von zwei getrennten Steuererklärungen verweigert, hat das FA verschiedene Möglichkeiten, hierauf zu reagieren und auf die Abgabe einer mangelfreien Steuererklärung hinzuwirken (z. B. Schätzung, Verhängung von Zwangsmitteln oder Verspätungszuschlägen); das FA ist aber –wenn trotz der formellen Mängel eine getrennte Veranlagung durchgeführt werden kann– nicht zur Durchführung einer Zusammenveranlagung gegen den Willen der Ehegatten berechtigt.
3. Das Wahlrecht der Veranlagungsart kann bis zur Bestandskraft der Veranlagung ausgeübt bzw. widerrufen und anderweitig ausgeübt werden. Die schriftliche Abgabe des Wahlrechts erfolgt in der Regel durch das Ankreuzen des in der Einkommensteuererklärung vorgesehenen Kästchens, kann aber auch durch besonderes Schreiben an das FA erfolgen.
Normenkette
EStG § 25 Abs. 3 S. 3, § 26 Abs. 2 S. 1, §§ 26a, 26 Abs. 2 S. 3, Abs. 3
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11.8.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 23.3.2001 werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, die Kläger für das Jahr 1999 unter Beachtung der auf sie entfallenden Einkünfte und Sonderausgaben getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob eine getrennte Veranlagung durchzuführen ist.
Die Kläger (Kl) sind Eheleute. In einer gemeinsam abgegebenen und unterschriebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999, die beim Beklagten (Finanzamt –FA–) am 15.6.2000 einging, beantragten sie die Durchführung einer getrennten Veranlagung. Mit Schreiben des FA vom 16.6. und 29.6.2000 wurden die Kl daraufhin unter Hinweis auf § 25 Abs. 3 Satz 3 EStG aufgefordert, jeweils eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Dies wurde vom steuerlichen Berater abgelehnt, weil hierfür keine Verpflichtung bestehe. Andernfalls sei der in der Steuererklärung enthaltene Hinweis zur Wahl der getrennten Veranlagung sinnlos. Die Aufteilung der in der gemeinsamen Erklärung enthaltenen Sonderausgaben sei mit der zuständigen Sachbearbeitern im FA bereits telefonisch besprochen. Alle weiteren Daten seien ohne weiteres der Steuererklärung, die vom FA für getrennte Veranlagungen in dieser Form bislang immer akzeptiert worden sei, zu entnehmen.
Am 29.6.2000 ging beim FA erneut eine von den Kl gemeinsam unterschriebene Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 ein, in der sie die Zusammenveranlagung beantragten. Daraufhin erließ das FA am 11.8.2000 einen Einkommensteuerbescheid 1999 (Einkommensteuer: 45.510 DM), in dem die Kl zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Einspruchsschreiben vom 14.8.2000 beantragte der steuerliche Vertreter erneut eine getrennte Veranlagung. Die Einreichung getrennter Steuererklärungen oder wenigstens getrennter Mantelbögen lehnte er ab (Aktenvermerk des FA über ein Telefonat mit dem steuerlichen Vertreter vom 14.2.2001). Mit Schreiben vom 14.2.2001 wurde vom steuerlichen Vertreter die Aufteilung der Sonderausgaben in einer bestimmten Weise beantragt. Hierauf wird Bezug genommen. Zugleich teilte er mit, dass die Aufteilung der Einkünfte den bereits abgegebenen Erklärungen entnommen werden könne.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung –EE– vom 23.3.2001).
Mit der Klage wird vorgetragen, dass die Kl das Wahlrecht zur Durchführung einer getrennten Veranlagung wirksam ausgeübt hätten. Durch die getrennte Veranlagung ergebe sich eine um 2.427 DM niedrigere Gesamtbelastung.
Die Kl beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11.8.2000 samt EE aufzuheben und das FA zu verpflichten, für die Kl jeweils eine getrennte Veranlagung durchzuführen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat zu Unrecht die Durchführung einer getrennten Veranlagung versagt.
Gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden Ehegatten getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten getrennte Veranlagung (§ 26 a EStG) wählt. Dies gilt nach übereinstimmender Meinung auch, wenn beide Ehegatten übereinstimmend getrennte Veranlagung wählen (vgl. Pflüger in H...