rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von PKW: Unterschiedlicher Belegnachweis für Beförderung und Versendung. nachträgliche Geltendmachung einer Versendungslieferung nach zuerst geltend gemachter Abhollieferung. CMR-Frachtbrief als Belegnachweis für Versendungslieferung. keine Steuerfreiheit der Lieferung an Scheinfirma. Kriterien für Vorliegen einer Scheinfirma
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Belegnachweis nach § 17a UStDV erfordert die Unterscheidung nach einer Beförderung oder einer Versendung des Liefergegenstandes durch den Veräußerer oder den Abnehmer.
2. Befördern ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG jede Fortbewegung eines Gegenstandes; im Rahmen des § 17a UStDV ist zu fordern, dass es sich bei dem „Abholer” um einen unselbständigen Beauftragten des Abnehmers (Arbeitnehmer oder Erfüllungsgehilfe) handelt. Ein Versenden liegt dagegen vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG).
3. An einer eindeutigen und leichten Nachprüfbarkeit i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStDV fehlt es, wenn mit den vorgelegten Belegen der Anschein einer Abhollieferung erzeugt wird, tatsächlich aber eine Versendungslieferung durchgeführt wurde.
4. Bei einer Versendungslieferung ist der Belegnachweis durch Vorlage u.a. eines Belegs entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV (z.B. CMR-Frachtbrief) zu führen; der Belegnachweis ist ohne Vorlage eines Frachtbriefes unvollständig, wenn nicht dargelegt wird, warum die Vorlage des Frachtbriefes i.S. des § 17a Abs. 4 Satz 2 nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist.
5. Die Rechtsprechung des BFH zur Briefkastenanschrift beim Vorsteuerabzug ist jedenfalls dann nicht auf die Adresse und den Sitz des Empfängers einer innergemeinschaftlichen Lieferung übertragbar, wenn es sich bei diesem um ein Scheinunternehmen handelt. Bei den innergemeinschaftlichen Lieferungen kommt der Person des Abnehmers und seiner Identität für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, so dass eine bloße „Briefkastenadresse” zur Identifizierung eines Abnehmers nicht ausreichen kann.
6. Die Lieferung von PKW ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn der Lieferer sich zwar die Richtigkeit der USt-IdNr. des Abnehmers vom Bundeszentralamt für Steuern bestätigen hat lassen, es sich bei dem Abnehmer (hier: slowakische N.s.r.o) aber um eine Scheinfirma handelt. Es spricht für das Vorliegen eines Scheinunternehmens, wenn es sich u.a. bei bei der angegebenen Anschrift lediglich um die Anschrift eines Buchhaltungsbüros handelt, der Abnehmer an seiner Adresse über keinen aktiven Telefon- oder Faxanschluss und über keinen Lagerplatz für Fahrzeuge verfügt, der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter in einem anderen EU-Staat wohnhaft ist, aus dem Briefkopf des Abnehmers erkennbar ist, dass er an seinem angegebenen Sitz keine Geschäftstätigkeit ausübt, da dort nur eine Telefon- und Faxverbindung in einem anderen EU-Staat angegeben ist, und wenn zudem der Geschäftsführer des liefernden Unternehmens keinen persönlichen, schriftlichen oder telefonischen Kontakt mit dem Geschäftsführer des Abnehmers hat.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. a, Nr. 3, Abs. 3 S. 1, § 3 Abs. 6 Sätze 2-3; UStDV § 17a Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, 4 Sätze 1-2, § 17c Abs. 1, 2 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1; MwStSystRL Art. 138 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist das Vorliegen der Voraussetzungen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen bei der Lieferung von drei Kraftfahrzeugen.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die unter der Nr. in das Handelsregister des Amtsgerichts eingetragen ist. Der Gegenstand ihrer unternehmerischen Tätigkeit ist der Im- und Export von und Handel mit Waren aller Art, weiter Fuhrparkmanagement und Vermietung sowie Unternehmensberatung. Ihr Geschäftsführer ist Herr .
In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2007 errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer von EUR. Als Besteuerungsgrundlagen erklärte sie unter anderem steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von EUR und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Abnehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) in Höhe von EUR.
Nach der Durchführung einer mit Prüfungsanordnung vom 11. Februar 2008 am 14. Februar 2008 begonnenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Voranmeldungszeitraum des zweiten Kalendervierteljahres 2007 – welche im Rahmen einer multilateralen Prüfung der deutschen, österreichischen, ungarischen und slowakischen Finanzbehörden erfolgte – versagte der Beklagte die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung von drei Kraftfahrzeugen. Mit weiterer Prüfungsanordnung des FA vom 4. Dezember 2012 wurde – unter Bezugnahme auf die Prüfungsanordnung vom 11. ...