Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung eines Gewerbesteuermessbescheids umfasst nicht den lediglich informatorischen Hinweis auf die hebesatzberechtigte Gemeinde
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein berechtigtes Interesse für eine Korrektur eines Gewerbesteuermessbescheids nach § 129 AO fehlt, wenn die Unrichtigkeit einen Sachverhalt betrifft, der nicht bindend für den Folgebescheid ist.
2. Über die Frage, wer hebeberechtigte Gemeinde ist, wird im Gewerbesteuermessbescheid nicht entschieden. Die Angabe der hebeberechtigten Gemeinde ist gegenüber dem Gewerbesteuerbescheid nicht bindend.
Normenkette
AO §§ 129, 184
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Berichtigung der Gewerbesteuermessbescheide 2000 bis 2002 nach § 129 Abgabenordnung (AO)
Die Klägerin ist eine GmbH, die beim beklagten Finanzamt (FA) veranlagt wird. Die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002 vom 6. August 2001 (2000), 30. Oktober 2002 (20001) und 13. August 2003 (2002) enthielten jeweils folgenden Hinweis: „Hebeberechtigte Gemeinde: 80331 München amtl. Gemeindeschlüssel: …”. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2005 beantragte die Klägerin beim FA die Änderung der Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2000 bis 2002, da in ihnen die hebeberechtigte Gemeinde unzutreffend benannt worden sei. Die Geschäftsräume befänden sich ab dem Kalenderjahr 1999 in … und nicht mehr in München. Dies sei in den entsprechenden Gewerbesteuererklärungen auch als Anschrift der Geschäftsleitung angegeben worden. Insoweit sei eine Berichtigungsmöglichkeit wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO gegeben, da eine offenkundige Tatsache vorliege, die nur aus Unachtsamkeit nicht berücksichtigt worden sei.
Das FA lehnte den Antrag auf Berichtigung der Gewerbesteuermessbescheide mit Bescheid vom 26. Juni 2006 ab mit der Begründung, ein Rechtsirrtum könne nicht ausgeschlossen werden, so dass § 129 AO nicht eingreife. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 17. März 2008).
Dagegen richtete sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, das FA habe die in den Steuererklärungen angegebene Anschrift der Klägerin in … übersehen. Das Übersehen eindeutiger Mitteilungen in der Steuererklärung sei eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO.
Die Klägerin beantragt,
das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26. Juni 2006 zu verpflichten, Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 zu erlassen, in denen die richtige hebeberechtigt die Gemeinde bezeichnet ist, hilfsweise das Finanzamt zu verpflichten, für die Jahre 2000 bis 2002 entsprechende Zuteilungsbescheide nach § 190 AO zu erlassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen und beruft sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 08. September 2009 den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehlern, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen.
Im Streitfall kann es dahingestellt bleiben, ob die Angabe der unzutreffenden hebeberechtigten Gemeinde in den Gewerbesteuermessbescheiden dem Grunde nach eine offenbare Unrichtigkeit darstellt. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf eine Berichtigung, da ein berechtigtes Interesse fehlt.
Ein berechtigtes Interesse fehlt, wenn die Unrichtigkeit sich auf das Ergebnis des Verwaltungsakts nicht auswirkt und der Betroffene auch sonst nicht geltend machen kann, dass ihm bei Nichtberichtigung Nachteile entstehen würden (von Wedelstädt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 129 AO Rz. 6; Tipke in Tipke/Kruse, AO, § 129 Rz. 31; Leopold in Leopold/Madle/Rader, AO, § 129 Rz. 6). Im Streitfall hätte der Erlass von berichtigten Gewerbesteuermessbescheiden, in denen die Gemeinde … anstelle der Stadt München als hebeberechtigte Gemeinde genannt wird, keinerlei Auswirkungen auf die zu erlassenden bzw. bereits erlassenen Gewerbesteuerbescheide, da über die Frage, welche Gemeinde hebeberechtigt ist, im Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag nicht entschieden wird. Die Hebeberechtigung wird von der Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids gegenüber dem Folgebescheid (Gewerbesteuerbescheid oder Zuteilungsbescheid) nicht erfasst (BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 88/02, BStBl II 2004, 751; Urteil des Finanzgerichts München vom 9. Dezember 1987 I 25/83 G, EFG 1988, 381). Die Literatur hat sich der Auffassung der Rechtsprechung angeschlossen (vgl. Forchhammer in Leopold/ Madle/Rader, AO, § 184 Rz. ...