Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Gewinnerzielungsabsicht bei Network-Marketing-Unternehmen. Zeugenaussagen als „Beweis” für die Gewinnerwartung ungeeignet
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein nebenberuflich tätiger Network-Marketing-Unternehmer hat keine Gewinnerzielungsabsicht, wenn nach der Kostenstruktur des Unternehmens es von vornherein es völlig unrealistisch ist, dass die zur Erreichung der Gewinnzone notwendigen Provisionseinnahmen erzielt werden können.
2. Die Gewinnerzielungsabsicht kann von Anfang an fehlen, wenn ein Betrieb aufgrund der Betriebsführung von vorneherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen. Anfangsverluste können dann nicht anerkannt werden
3. Liegen verschiedene, wirtschaftlich eigenständige Betätigungen vor, ist die Gewinnerzielungsabsicht nicht einheitlich für die gesamte Tätigkeit, sondern gesondert für die jeweilige Betätigung zu prüfen (Grundsatz der Segmentierung).
4. Um eine solche Segmentierung vorzunehmen, ist nicht erforderlich, dass es sich bei den Tätigkeiten um selbstständige Teilbetriebe handelt; notwendig, aber auch ausreichend, ist, dass die beiden Tätigkeiten voneinander trennbar sind.
5. Soweit die Zeugen als Beweis dafür angeboten werden, dass die Gewinnerwartung des Klägers realistisch gewesen sei, ist die beantragte Beweiserhebung nicht durchzuführen, denn der Zeuge ist insoweit kein geeignetes Beweismittel.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2, § 2 Abs. 1; FGO §§ 76, 82; ZPO § 373
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger einen Gewerbebetrieb mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat.
I.
Die Kläger werden in den Streitjahren gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren zuerst als Vertriebsbeauftragter und ab November 1999 als Gebietsleiter für die [… X AG] Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. [… Ab 2003] war der Kläger anschließend bei [… der Q AG] tätig. Seit Januar 2004 bezog der Kläger als Gebietsverkaufsleiter für die [… Y AG] Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und ab April 2007 als selbständiger Handelsvertreter für Y AG und Z AG Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Seit dem Jahr 1998 betrieb der Kläger einen Gewerbebetrieb für Vitaminberatung, Handel und Vertriebsförderung und vertrieb hauptsächlich Vitaminprodukte […] der Firma [… MY-WAY] und ab Oktober 2001 zusätzlich Produkte (vor allem Aloe-Vera-Produkte) der Firma [… YOURWAY]. Außerdem arbeitete er ab Ende des Jahres 2001 auch als Berater und Händler für die Firma [… HERWAY] und vertrieb deren Produkte (vor allem Entsäuerungsprodukte als Basis für eine andere Nahrungsergänzung). Ab dem Herbst 2003 vertrieb der Kläger zusätzlich noch für die Firma [… HISWAY] deren Produkte, vor allem Säfte. Den Gewinn des Gewerbebetriebs ermittelt er nach Einnahmenüberschussrechnung.
In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre erklärte der Kläger für seinen Gewerbebetrieb Verluste. Die Verluste aus Gewerbebetrieb berechnete er für 1998 in Höhe von 10.399 DM, für 1999 in Höhe von 11.952 DM, für 2000 in Höhe von 36.035 DM, für 2001 in Höhe von 32.475 DM und für 2002 in Höhe von 16.398 EUR. Bei seiner Gewinnermittlung berücksichtigte der Kläger in den einzelnen Jahren – teilweise fehlerhaft durch Gegenüberstellung der Netto-Betriebseinnahmen und der Netto-Betriebsausgaben – die folgenden Betriebseinnahmen (BE): für 1998 von 3.842,29 DM (brutto), für 1999 von 9.569,64 DM (netto), für 2000 von 20.016,70 DM (netto), für 2001 von 22.653,13 DM (brutto) und für 2002 von 18.319,13 EUR (brutto). Diesen Betriebseinnahmen stellte er die folgenden Betriebsausgaben (BA) gegenüber: für 1998 von 14.241,49 DM (brutto), für 1999 von 21.522,12 DM (netto), für 2000 von 56.051,45 DM (netto), für 2001 von 55.128,15 DM (brutto) und für 2002 von 34.717,40 EUR (brutto). Außerdem erklärte der Kläger aus seinem Arbeitsverhältnis bei X AG in den Einkommensteuerklärungen die folgenden Bruttoarbeitslöhne: für 1998 in Höhe von 104.646 DM, für 1999 in Höhe von 121.046 DM, für 2000 in Höhe von 143.798 DM, für 2001 in Höhe von 149.913 DM und für 2002 in Höhe von 54.911 EUR.
Der Beklagte – das Finanzamt – berücksichtigte vorerst unter Abweichungen (da es einerseits bei den Betriebseinnahmen und -ausgaben die Bruttobeträge berücksichtigte und z.B. die geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer nur in Höhe von 2.400 DM bzw. 1.250 EUR zum Abzug zuließ) die geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb für den Handel und Vertrieb von Nahrungsergänzungsprodukten und zwar für 1998 in Höhe von 7.214 DM (Einkommensteuerbescheid 1998 vom 31. Juli 2000; zuvor im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 30. März 2000 in Höhe von 4.644 DM), für 1999 in Höhe von 10.796 DM (Einkommensteuerbescheid 1999 vom 31. Mai 2001), für 2000 in Höhe von 32.389 DM (Einkommensteuerbescheid 2000 vom 2. Januar 2003; zuvor im Einkommensteuerbescheid 2000 vom 11. Juli 2002 in Höhe von 29.995 DM), für 2001 in Höhe von 21.179 DM (Einkommensteuerbescheid 2001...