Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und von Kinderfreibeträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Schätzung des Finanzamts, dass der Kläger im Streitjahr an 230 Arbeitstagen die Arbeitsstätte aufgesucht hat, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Für die höhere Anzahl der durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tragen im Streitfall die Kläger die Beweislast.
2. Ziel einer Schätzung hat es zu sein, dem wirklichen steuererheblichen Sachverhalt so nahe wie möglich zu kommen. Eine Strafschätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen ist nicht zulässig, wohl aber eine Schätzung in einem möglichen oberen Rahmen, sofern sie in sich schlüssig ist. Sich insoweit ergebende Unsicherheiten, die im Wesen jeder Schätzung begründet sind, muss der Steuerpflichtige hinnehmen, wenn er durch sein den steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht genügendes Verhalten die Ursache für die Schätzung gesetzt hat. Begehrt ein Steuerpflichtiger den Abzug von Werbungskosten, so trägt er die objektive Beweislast für die Tatsachen, die den Abzug dem Grunde und der Höhe nach begründen – das gilt auch im Streitfall für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
3. Ist ersichtlich, dass das FA die sog. Günstigerprüfung für die Kinder durchgeführt hat und dabei für jedes Kind einen Kindergeldanteil berücksichtigt hat und hat diese Günstigerprüfung ergeben, dass die gebotene Freistellung des Existenzminimums durch das gewährte Kindergeld erreicht wird und dass die Gewährung von Kindergeld im Streitfall günstiger ist, scheidet ein Abzug von Kinderfreibeträgen vom Einkommen aus.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 3 Nr. 39, § 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1, § 31 S. 4, § 32 Abs. 6; AO § 162; FGO § 79 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids 2004 vom 4. Dezember 2008 wird die Einkommensteuer auf 7.246 EUR festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 60/100 und der Beklagte zu 40/100.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Steuerberater und erzielt aus dieser Tätigkeit gesondert festgestellte Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit sowie als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH Arbeitslohn und Gewinnausschüttungen. Die Klägerin erhält von dieser Steuerberatungs-GmbH ebenfalls Arbeitslohn und erzielt außerdem gesondert festgestellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Da die Kläger trotz wiederholter Aufforderung die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 nicht abgegeben hatten, schätzte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – die Besteuerungsgrundlagen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 25. April 2007). Das FA schätzte unter anderem den Arbeitslohn des Klägers mit 65.000 EUR und den der Klägerin mit 25.000 EUR, die Einnahmen aus Kapitalvermögen mit 20.000 EUR und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 8.500 EUR.
Auf den dagegen gerichteten Einspruch hat das FA die Einkommensteuerfestsetzung geändert (Einkommensteueränderungsbescheid vom 12. November 2007) und die in den Lohnsteuerbescheinigungen der Kläger ausgewiesenen Bruttoarbeitslöhne bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (70.227 EUR und 21.162 EUR) und die in der Kapitalertragsteuerbescheinigung ausgewiesenen Dividenden (6.874 EUR) neben Zinsen (2.000 EUR) als Kapitalerträge bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2007 hat das FA den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, da der Einspruch nicht weiter begründet worden sei und die Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen zutreffend erscheinen würden.
Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wie sie für das Vorjahr beantragt worden seien (291 Tage, 52 Entfernungskilometer), berücksichtig werden müssten. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien für das Objekt in […] S-Stadt mit einem Überschuss in Höhe von 1.240 EUR zu berücksichtigen. Es würde kein schriftlicher Mietvertrag für das vor dem Jahr 1900 errichtete Einfamilienhaus existieren, es sei bereits seit 20 Jahren vermietet und die monatlich vereinnahmte Miete betrage 300 EUR. Außerdem seien wie im Vorjahr zwei Kinder zu berücksichtigen.
Das FA ist der Auffassung, dass Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht in dem geltend gemachten Umfang berücksichtigt werden könnten, da die behauptete Anzahl...