Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtserheblichkeit von neuen Tatsachen. Ausschluss der Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nach Treu und Glauben bei Verletzung der Ermittlungspflicht
Leitsatz (redaktionell)
Der Umstand, dass das Finanzamt in einem Veranlagungszeitraum rechtsirrig den Zufluss eines geldwerten Vorteils annimmt, obwohl dieser nach zutreffender Rechtsauffassung erst in einem späteren Veranlagungszeitraum zu erfassen ist, entbindet den Steuerpflichtigen nicht von der Verpflichtung, in der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum, in dem der geldwerte Vorteil richtigerweise zu erfassen ist, den Sachverhalt umfassend zu erklären. Erklärt er den Sachverhalt nur unvollständig und erfasst das Finanzamt den Zufluss im Einkommensteuerbescheid nicht, ist eine spätere Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auch dann nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn das Finanzamt seine Ermittlungspflicht verletzt hat.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger erzielte im Streitjahr 1999 als Angestellter der Firma X-AG (AG) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Einkommensteuergesetz (EStG). Am 3. November 1999 machte er von seinem Wandelungsrecht aus einem im Jahr 1997 mit seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Darlehensvertrag Gebrauch. In diesem Vertrag hatte der Kläger als Darlehensgeber der AG als Darlehensnehmerin ein als Wandeldarlehen bezeichnetes Darlehen über 20.000 DM gewährt. Das mit 2 % verzinsliche Darlehen war mit einem Wandelungsrecht ausgestattet. Hiernach war der Kläger berechtigt, erstmalig am 28. Oktober 1999 für maximal 50 % der Darlehenssumme Darlehensteilbeträge von je 5 DM in Aktien der AG im Nennbetrag von je 5 DM zu wandeln. Aufgrund der Veränderung der Aktien- und Kapitalstruktur der AG in den Folgejahren wurden die Ansprüche des Klägers auf ursprünglich vorgesehene 2000 Aktien zum Nennbetrag von 5 DM je Aktie auf 100.000 nennbetragslosen Stückaktien umgewandelt.
Das Wandeldarlehen beruhte nach dem Geschäftsbericht der AG für 1997 auf einem Beschluss der Hauptversammlung vom 17. September 1997, der den Vorstand der AG ermächtigte, Wandelschuldverschreibungen auszugeben und diese u.a. allen Arbeitnehmern der Gesellschaft im Wege des mittelbaren Bezugsrechts anzubieten.
Der Kläger hatte dem zum damaligen Zeitpunkt für ihn zuständigen Wohnsitzfinanzamt S nach Abgabe seiner Steuererklärung für 1997 am 25. Mai 1999 angezeigt, dass er von der Zeichnung eines Wandeldarlehens Gebrauch gemacht habe und ihm von seinem Arbeitgeber mitgeteilt worden sei, dass er mit der Zeichnung einen steuerpflichtigen Arbeitslohn in Höhe von 26.946 DM erzielt habe. Als Anlagen fügte er den Wandeldarlehensvertrag mit der AG vom 21. Oktober 1997, das Anschreiben des Arbeitgebers vom 7. Mai 1999 und ein Schreiben der P vom 27. April 1999 über die Berechnung des Wandelschuldverschreibungspreises bei, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird. Im Einkommensteuerbescheid 1997 des Finanzamts S vom 13. August 1999 wurden die erklärten Einkünfte der Einkommensbesteuerung unterworfen.
Seiner am 2. Februar 2000 beim nunmehr zuständig gewordenen beklagten Finanzamt (dem Finanzamt – FA –) eingegangenen Einkommensteuererklärung 1999 fügte der Kläger eine Anlage KSO bei, in der lediglich auf ein Beiblatt verwiesen wurde. In dem Beiblatt erläuterte der Kläger, dass aus den 1999 aus Wandelanleihen bezogenen X-Aktien noch keine Dividenden zugeflossen seien. Weitere Angaben hierzu machte der Kläger nicht. Das FA setzte daraufhin die Einkommensteuer 1999 mit Bescheid vom 24. Februar 2000 erklärungsgemäß fest.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 übersandte das Finanzamt K dem FA eine nach §§ 38 Abs. 4, 41 c Abs. 4 EStG vom Arbeitgeber erstattete Anzeige über nicht vorschriftsmäßig einbehaltene Lohnsteuer mit der Bitte um Auswertung. Aus einer beigefügten tabellarischen Aufstellung ergab sich, dass der Kläger am 3. November 1999 einen Teilbetrag seines Wandeldarlehens i.H. von 10.000 DM in 100.000 Aktien gewandelt hatte. Hieraus errechnete das FA einen geldwerten Vorteil von 8.693.129,49 DM und teilte dem Kläger eine entsprechend beabsichtigte Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 mit. Mit Bescheid vom 9. Mai 2001, geändert durch Bescheid vom 31. Januar 2006, führte das FA die angekündigte Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) durch. Gleichzeitig änderte es den Einkommensteuerbescheid 1997 gemäß § 174 AO und besteuerte den Zufluss aus der Wandelanleihe nicht mehr im Veranlagungszeitraum der Zeichnung.
Der Kläger legte gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 Einspruch ein und begründete diesen damit, dass die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht gegeben seien. Mit Einspruchsentscheidung vom 12. September 2006 setzte das FA die festgesetzte Einkommensteuer herab, da es für die Berechnung des geldwerten Vorteils einen niedrigeren Börsenkurs ansetzte und ...