Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbeschränkter Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer; Mittelpunkt der beruflichen Betätigung eines Vertriebsleiters in dem als Zweigniederlassung seines Arbeitgebers eingerichteten häuslichen Büro
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist ein Steuerpflichtiger nicht nur zu Hause, sondern auch außerhalb tätig, ist für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung" in § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3 EStG darauf abzustellen, wo er nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls die nach allgemeiner Verkehrsanschauung für seinen Beruf wesentlichen Kerntätigkeiten tatsächlich vornimmt.
2. Handelt ein angestellter Vertriebsleiter -entsprechend den Regelungen in seinem Arbeitsvertrag-- von der in seinem Haus eingerichteten Zweigniederlassung seines Arbeitgebers aus und erledigt dort seine wesentlichen Arbeiten als Leiter der Niederlassung, während seine Außentätigkeiten im wesentlichen nur repräsentativer Art sind und sich auf die Vornahme von Dienstreisen zur Pflege der Großkunden und zum Besuch von Messen beschränken, sind die Aufwendungen für das häusliche Büro nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG unbeschränkt als Werbungskosten abzugsfähig.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 3, § 9 Abs. 5
Gründe
I.
Streitig ist, in welcher Höhe die Kosten für ein häusliches Büro als Werbungskosten im Zusammenhang mit den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig sind.
Die Kläger sind Ehegatten, die für die Streitjahre 1996 und 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist Angestellter der Fa. … … (W) … die chemische Produkte für die Wartung und Instandhaltung von Maschinen und technischen Anlagen fertigt und im Großhandel für Wiederverkäufer und Anwender vertreibt. Er ist seit 1986 der Vertriebsleiter der Fa. W für den Bereich Süddeutschland. Entsprechend der Regelung im Arbeitsvertrag hatte er im selbstgenutzten Wohnhaus als Verkaufsniederlassung Süd ein das gesamte 2. Obergeschoss umfassendes Büro eingerichtet. Von dort aus überwacht er seine Außendienstmitarbeiter für Nord- und Südbayern, Teilen von Baden-Württemberg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz, betreut er seine alten Kunden und informiert neue Kunden, die sich – z. B. aufgrund einer Anzeige in einer Zeitschrift oder auf Messen – an die Fa. W., d. h. an ihn wenden Dies geschieht regelmäßig per Telefon vom häuslichen Büro aus (seine Telefonrechnungen betragen seinen Angaben nach monatlich rd. 700 DM). Außerdem hat er für die Fa. W Kosten- und Umsatzbudgets aufzustellen, diese in Fragen des Wettbewerbs und des Marketings zu unterstützen, sowie den Export für die Länder Österreich, Schweiz, Italien, Saudi-Arabien sowie Ägypten und Indien zu betreuen. In der hierfür angelegten sog. dynamischen Kundenkartei mit ca. 1.500 Vorgängen hält er die Entwicklung der Umsätze seiner Kunden, insbesondere deren Umsatzveränderungen sowie Bedarfsprognosen fest und wertet diese Daten aus. Auf diese Weise betreut er ca. 500 bis 600 Kunden und Interessenten aus seinem Zuständigkeitsbereich. In seinem häuslichen Büro werden auch Besprechungen und Seminare durchgeführt. Die Seminarunterlagen arbeitet er selbst zu Hause aus. Der Kläger erhält keine variablen, d. h. umsatzbezogenen Provisionen, sondern eine am gesamten Unternehmenserfolg (Erreichen von Planzielen) orientierte Leistungsprämie
Seine Haupttätigkeit außer Haus besteht in der „Pflege” seiner ca. 20 Großkunden, auf die ca. 80 % des in dem von ihm betreuten Gebiet erzielten Umsatzes entfallen. Bei den ausländischen Großkunden handelt es sich – mit Ausnahme von Österreich – um einen für das jeweilige Land zuständigen Generalvertreter. Die Großkunden besucht er in unregelmäßigen Abständen, meistens einmal im Jahr. Wenn er einen Generalvertreter im Ausland besucht, verbindet er dies mit Höflichkeitsbesuchen bei kleineren Direktabnehmern, so dass er bei Auslandsreisen in der Regel bis zu einer Woche unterwegs ist. Daneben besucht er die einschlägigen Messen, die bis zu einer Woche oder länger dauern können. Da er auch vor Ort Seminare hält, hat er seine Seminarunterlagen in drei Sprachen aufgelegt.
Die anteiligen Kosten für sein häusliches Büro in Höhe von 30.051,99 DM für 1996 und 7.891,78 DM für 1997 machte der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend. Dem folgte der Beklagte (Finanzamt/FA) nicht. Mit der Begründung, das Büro bilde nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers, ließ es die Kosten nur i. H. von 2.400 DM zum Abzug zu. Mit Bescheid vom 22.04.1998 wurde die Einkommensteuer 1996 auf 24.532 DM und mit Änderungsbescheid vom 26.05.1999 auf 24.460 DM festgesetzt. Bereits gegen den Ausgangsbescheid hatten die Kläger Einspruch eingelegt. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung/EE vom 18.10.1999 hat das FA die Einkommensteuer 1996 nochmals aus hier nicht mehr strittigen Gründen auf 24.210 DM herabgesetzt (immer nach Abzug der S...