rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuerliche Maßgeblichkeit der Kurswerte von Wertpapieren am Todestag des Erblassers; Kursverluste von Wertpapieren nach dem erbschaftsteuerlichen Stichtag nicht "sachlich unbillig"
Leitsatz (redaktionell)
1. Wegen des bei der Erbschaftsteuer geltenden Stichtagsprinzips sind zum Nachlass gehörende Verkaufsoptionsscheine als Wertpapiere auch dann mit ihrem Kurswert am Todestag des Erblassers anzusetzen, wenn sie zwischenzeitlich fast vollständig wertlos geworden sind und der Erbe in seinem Verfügungsrecht, z.B. wegen einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung, beschränkt war.
2. Im Hinblick auf einen Kursverfall geerbter Wertpapiere seit dem Todestag des Erblassers kommt eine niedrigere Erbschaftsteuerfestesetzung wegen sachlicher Unbilligkeit nach § 163 AO 1977 jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn nur ein untergeordneter Teil der der im Depot des Erblassers enthaltenen Wertpapiere einen erheblichen Kursverslust erlitten hat und zudem andere Wertpapiere in dem Depot seither Kursgewinne erzielt haben.
Normenkette
ErbStG § 11; AO 1977 § 163; BewG § 11 Abs. 1; ErbStG § 12 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1
Gründe
I.
Streitig ist, ob für zu einem Wertpapierdepot gehörende Verkaufsoptionsscheine aufgrund eines nach dem Erbfall eingetretenen Kursverfalls die Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen niedriger festzusetzen ist.
Die am 25.03.1993 verstorbene Frau X wurde vom am 19.01.1979 geborenen Kl allein beerbt. Bis zu dessen Vollendung des 25. Lebensjahres war Testamentsvollstreckung angeordnet. Neben Grundvermögen, Bankguthaben und Steuererstattungsansprüchen gehörte zum Nachlass ein Wertpapierdepot mit einem Kurswert zum 24.03.1993 in Höhe von 185.499,50 DM zuzüglich Stückzinsen in Höhe von 3.115,83 DM. Ausweislich der Bankmitteilung vom 27.09.1993 (Bl. 13 FA-Akte) gehörten zum Depot verschiedene Verkaufsoptionsscheine, die am 24.03.1993 einen Kurswert in Höhe von 36.900 DM hatten. In der Anlage zur Steuererklärung vom 08.05.1994 erklärte die Mutter des Kl, dass diese Optionsscheine seit dem 24.03.1993 auf ca. 1/10 des damaligen Werts gefallen seien, bzw. z.T. wertlos seien. Sie beantragte, diese Werte aus Billigkeitsgründen mit den gegenwärtigen Werten, bzw. als wertlos anzusetzen.
Mit Bescheid vom 13.06.1995 (Bl 20 u. 21 FA-Akte) setzte der Beklagte (Finanzamt = FA) gegen den Kl aus einem steuerpflichtigen Gesamterwerb von 245.800 DM ErbSt in Höhe von 78.656 DM fest und lehnte zugleich eine Berücksichtigung des nach dem Stichtag eingetretenen Kursverfalls aus Billigkeitsgründen ab. Entscheidend sei im Erbschaftsteuerrecht der Stichtagswert.
Mit seinem Einspruch machte der Kl u. a. weiterhin geltend, dass die Optionsscheine bei Antritt der Erbschaft keinen Wert mehr gehabt hätten. Eine Besteuerung sei sittenwidrig und nicht im Sinne des Gesetzgebers. Die auf den DAX lautenden Optionsscheine hätten der Absicherung eines künftigen Kursrückgangs gedient und deshalb nur einen fiktiven Wert, der bei Ansteigen des DAX sich vermindere bzw. entfalle. Letztlich handele es sich um eine Prämie bzw. um einen Wetteinsatz. Es handele sich nicht um Wertpapiere i. S. des § 11 BewG. Zudem sei als Stichtag zu Unrecht der 24.03.1993 statt der 25.03.1993 zugrundegelegt worden. Der Kl beantragte erneut, die Erbschaftsteuer nach § 163 AO aus Billigkeitsgründen niedriger festzusetzen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 11.12.1997 (Bl. 105 FA-Akte) wird vorab Bezug genommen. Das FA verwies darauf, dass der Wertansatz zutreffend nach dem von der Bank zu Beginn es Todestages mitgeteilten Wert angesetzt worden sei. Ein Abweichen vom Stichtagsprinzip sei auch im Billigkeitswege nicht gerechtfertigt, da der Gesetzgeber die auf dem Stichtagsprinzip beruhenden Härten bewusst in Kauf genommen habe.
Mit seiner Klage beantragt der Kl sinngemäß,
das FA unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu verpflichten, die Optionsscheine mit den Wertpapier-KennNrn. 550895, 765253 und 803475 (vom FA angesetzter Kurswert insgesamt 20.100 DM) bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs aus Billigkeitsgründen außer Ansatz zu lassen.
Der innere Wert dieser Papiere sei aufgrund der Entwicklung des DAX negativ gewesen, da am Stichtag der DAX-Kurs höher als der garantierte Verkaufspreis gewesen sei. Der Kurs der Index-Optionsscheine schwanke äußerst stark, oft innerhalb von Minuten. Der Wert realisiere sich nur bei einem Verkauf und könne ansonsten nur anhand der Differenz zwischen Bezugswert und tatsächlichem DAX-Wert ermittelt werden. Dieser Wert sei aber bei den drei genannten Optionsscheinen negativ gewesen. Da das Amtsgericht erst am 28.05.1993 die Erbschaft mitgeteilt habe, habe vorher gar nicht über die Optionsscheine verfügt werden können.
Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ...