rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung der Festsetzungsverjährung wegen Steuerhinterziehung im Kindergeldrecht
Leitsatz (redaktionell)
Ist aufgrund der Gesamtumstände davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige aufgrund eines entschuldbaren Irrtums angenommen hat, dass der Kindergeldanspruch trotz des Schulbesuchs der Kinder im Ausland fortbesteht, so verlängert sich die Festsetzungsfrist für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO weder auf zehn Jahre, noch auf fünf Jahre.
Normenkette
AO § 355 Abs. 1, § 169 Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, §§ 370, 378; EStG § 66 Abs. 1, § 70 Abs. 2
Tenor
1. Der Kindergeldaufhebungsbescheid vom 23. März 2006 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2006 werden aufgehoben, soweit die Kindergeldfestsetzung für das Kind S für den Zeitraum Oktober 1999 bis Dezember 2001 und die das Kind J für den Zeitraum Oktober 2001 bis Dezember 2001 aufgehoben wird.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 6/7 und der Beklagte zu 1/7.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die verheiratete Klägerin bezog für ihre Kinder S, geboren am 28. Oktober 1992, J, geboren am 20. November 1994, B, geboren am 14. August 1996 und N, geboren am 30. Juni 1999, Kindergeld. Der Ehemann der Klägerin ist syrischer Staatsangehöriger. Jeweils ab dem Beginn ihrer Schulpflicht (S im Oktober 1999, J im Oktober 2001, B im Oktober 2003 und N im Oktober 2005) hielten sich die Kinder in Syrien auf, wo sie eine Privatschule besuchen und im Haushalt ihrer Großeltern untergebracht worden sind. Nach Angaben der Klägerin ist geplant, dass S und J nach der neunten Klasse, d.h. nach dem Schuljahr 2007 bzw. 2009 nach Deutschland zurückkehren. Für B und N ist nach Angaben der Klägerin eine Rückkehr und Fortsetzung der Ausbildung in Deutschland nach der fünften Klasse, d.h. nach dem Schuljahr 2007 bzw. 2009 geplant.
Mit Schreiben vom 4. August 2005 teilte die Klägerin der beklagten Familienkasse den Aufenthalt der Kinder in Syrien mit. Der Beklagte hob mit Bescheid vom 23. März 2006 die Kindergeldfestsetzungen mit Wirkung ab Oktober 1999 für S, ab Oktober 2001 für J, ab Oktober 2003 für B und ab Oktober 2005 für N auf mit der Begründung, die Kinder hätten mit Beginn der Schulausbildung in Syrien ihren Wohnsitz in Deutschland bzw. in einem der in § 63 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) genannten Länder aufgegeben und hätten auch keinen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt. Den dagegen eingelegten Einspruch, der damit begründet wurde, die Kinder hätten ihren inländischen Wohnsitz beibehalten, wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2006 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, die Voraussetzungen der Kindergeldzahlung lägen weiterhin vor, denn die Kinder hielten sich lediglich zum Zwecke der Schulausbildung im Ausland auf und wohnten in allen schulfreien Zeiten regelmäßig zu Hause. Sie hielten sich nicht nur während der regulären großen Ferien von Juni bis Mitte September in Deutschland bei ihren Eltern auf, sondern blieben darüber hinaus noch weitere Wochen in Deutschland an ihrem Familienwohnsitz, da im syrischen Schulsystem die Möglichkeit zur Verlängerung der Ferien bei guten Schulleistungen bestehe. Auch in den zweiten Jahresferien zwischen Dezember und Januar hielten sich die Kinder jeweils zwischen zwei und vier Wochen in Deutschland bei ihren Eltern auf. Damit hätten die Kinder weiterhin einen steuerrechtlichen Wohnsitz im Sinne von § 8 Abgabenordnung (AO) in Deutschland, da Kinder diesen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch dann beibehielten, wenn sie sich vorübergehend zu Ausbildungszwecken auswärts aufhielten. Unabhängig von der Frage des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder ergebe sich eine Kindergeldberechtigung bereits aus § 63 Abs. 2 Satz 3 2. Halbs. i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 2a EStG. Im Übrigen habe sie gegenüber dem Beklagten während des Kindergeldbezugs zu keinem Zeitpunkt falsche Angaben gemacht und etwa behauptet, dass ihre Kinder sich ununterbrochen am Familienwohnsitz in Deutschland aufhielten. Zwischenzeitliche telefonische Auskünfte hätten wiederholt zum Ergebnis geführt, dass der Aufenthalt im Ausland während der Schulzeit für den Kindergeldbezug unschädlich sei. Zuletzt habe der Sachbearbeiter des Beklagten am 10. Juni 2005 auf anwaltliche Nachfrage bestätigt, dass der Besuch einer ausländischen Schule kein Problem darstelle, solange der Rest der Familie in Deutschland einen ständigen Wohnsitz habe. Er habe mitgeteilt, dass sicherheitshalber lediglich noch einmal die Schulbescheinigungen an die Familienkasse gesendet werden solle. Darauf hin habe sie mit Schreiben vo...