rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensausübung bei der Entscheidung über einen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Ermessensausübung über einen Abzweigungsantrag nach § 74 Abs. 1 EStG sind auch geringe Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen.

2. Entstehen ihm Aufwendungen mindestens in Höhe des Kindergeldes, ist allein die Auszahlung des vollen Kindergeldes an den Kindergeldberechtigten ermessensgerecht.

3. Die Abzweigung des vollen Kindergeldes ist nicht ermessenswidrig, wenn der Kindergeldberechtigte lediglich Zahlungen an einen Dritten aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung leistet, die dem Kind nicht für den Lebensunterhalt zu Gute kommen.

 

Normenkette

EStG § 74 Abs. 1; AO § 5; FGO § 102

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin bezieht für ihren Sohn F, geboren am …1996, Kindergeld. Auf Antrag des Sohnes entschied die beklagte Familienkasse mit Bescheid vom 25.3.2015, dass das Kindergeld ab Januar 2015 i.H.v. 184 EUR monatlich nach § 74 Abs. 1 i.V.m. § 76 Einkommensteuergesetz (EStG) an den Sohn F abgezweigt wird. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass nach den Feststellungen der Familienkasse die Klägerin dem Kind keinen Unterhalt gewährt und die Abzweigung in dieser Höhe angemessen ist, weil das Kindergeld insoweit für den Kindesunterhalt bestimmt ist. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, der damit begründet wurde, dass sie sehr wohl Unterhaltszahlungen geleistet habe. Auch jetzt noch zahle sie monatlich 49 EUR für den Klavierunterricht von F. Die Familienkasse zog F nach § 360 Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren hinzu und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2015 als unbegründet zurück, da keine regelmäßigen Unterhaltszahlungen nachgewiesen seien.

Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, dass sie monatlich 49 EUR an die Musikschule überweise. Zwar werde der Klavierunterricht von F nicht mehr besucht, sie sei jedoch vertraglich gebunden, da der Vertrag mit der Musikschule erst mit Wirkung zum 31.1.2016 gekündigt worden sei.

Mit Beschluss vom 8.12.2015 ist F zum Verfahren nach § 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) beigeladen worden. Mit Beschluss vom 22.1.2016 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Aufhebung des Abzweigungsbescheides vom 25.3.2015 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 22.7.2015.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 15.2.2015 wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unbegründet. Die Familienkasse hat die Entscheidung über die Abzweigung des Kindergeldes ermessensfehlerfrei getroffen.

Die Entscheidung der Familienkasse über eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG ist eine Ermessensentscheidung „kann”). Nach § 102 Satz 1 FGO kann das Gericht eine Ermessensentscheidung nur darauf hin überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) maßgebend (BFH-Beschluss vom 20. Februar 2012 III B 107/11, BFH/NV 2012, 987, Rz 10).

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das für ein Kind festgesetzte (oder festzusetzende) Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Das gilt nach Satz 3 der Vorschrift auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Für ein volljähriges unterhaltsberechtigtes Kind, das auswärts lebt, ist der Unterhalt regelmäßig durch eine Geldrente zu erbringen. Leistet der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich keinen Unterhalt, liegt es im pflichtgemäßen Ermessen, das Kindergeld an das Kind auszuzahlen. Das Ermessen wird nicht dadurch eingeschränkt, dass der Unterhaltspflichtige anstelle des zivilrechtlich geschuldeten Barunterhalts Naturalleistungen anbietet (vgl. BFH-Beschluss v. 17.03.2006 III B 135/05, BFH/NV).

Bei der Ausübung des Ermessens ist insbesondere der Zweck des § 74 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen (vgl. § 5 AO). Trägt der Kindergeldberechtigte überhaupt keine Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes, soll das gesamte Kindergeld nicht ihm, sondern entweder dem Kind oder aber demjenigen zugutekommen, der dem Kind tatsächlich Unterhalt gewährt. Auch geringe Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten sind aber bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 23.02.2006 III R 65/04, BStBl. II 2008, 753). Entst...

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