Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für Kinder, die im Ausland eine Schule besuchen. Wohnsitz im Inland
Leitsatz (redaktionell)
Kinder von in Deutschland lebenden türkischen Eltern, die ca. 6 Jahre lang ein Gymnasium in der Türkei besuchen, dort in einem Internat untergebracht sind, die gesamten Schulferien von ca. 3 1/2 Monaten nachweislich stets bei den Eltern in Deuschland verbringen, wo ihnen in der elterlichen Wohnung Wohnraum zur Verfügung steht, behalten ihren inländischen Wohnsitz bei mit der Folge, dass für diese Kinder nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein Kindergeldanspruch besteht.
Normenkette
AO § 8; EStG 62 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 63 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kinder A, B und C in der Zeit ihres Schulbesuches in der Türkei einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten und für sie daher ein Kindergeldanspruch nach §§ 62, 63 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestand.
Der Kläger war zunächst türkischer Staatsbürger. Seit 16. Februar 1999 besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft.
Die Söhne B und C, beide geboren am 13. März 1985, besuchten bis Juli 1996 die Volksschule in M. Von September 1996 bis Juni 2002 besuchten sie ein Gymnasium in Istanbul/Türkei und wohnten dort in einem zur Schule gehörenden Internat. Die Tochter A, geboren am 5. Oktober 1982, besuchte von Sommer 1994 bis November 2001 eine Schule in Istanbul/Türkei und wohnte dort in einem zur Schule gehörenden Internat. Auf die vom Kläger vorgelegten Schulbescheinigungen vom 29. September 2000 wird Bezug genommen. Nach Mitteilung des Klägers vom 1. Dezember 1997 diente der Schulbesuch in der Türkei dem Zweck, die Muttersprache und die eigene Kultur zu lernen.
Die Familienkasse hatte zunächst für B und C bis Ende 1996 Kindergeld in Höhe der Sätze des § 66 EStG gezahlt. Für A erhielt der Kläger seit 1. Oktober 1994 Kindergeld nur noch in Höhe der Sätze des deutsch-türkischen Abkommens für im Ausland lebende Kinder in Höhe von 60 DM monatlich (Bescheid vom 13. März 1995).
Mit Bescheid vom 24. März 1997 änderte die beklagte Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die beiden Söhne B und C mit Wirkung ab Oktober 1996, setzte das Kindergeld auf die Sätze des deutsch-türkischen Abkommens für im Ausland lebende Kinder, d.h. auf 25 DM bzw. 60 DM herab und forderte den überzahlten Betrag zurück. Dagegen erhob der Kläger Einspruch, mit dem vorgebracht wurde, die Kinder hätten weiterhin ihren Wohnsitz bei den Eltern in Deutschland. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 19. März 1998).
Nachdem der Beklagte die Kindergeldzahlungen ab Januar 1999 zunächst vollständig eingestellt hatte, stellte der Kläger im Juli 1999 einen Kindergeldantrag für die drei Kinder. Die beklagte Familienkasse nahm daraufhin mit Kassenanordnung vom 23. Juli 1999 die Kindergeldzahlung in Höhe der Sätze des deutsch-türkischen Abkommens für im Ausland lebende Kinder mit Wirkung ab Januar 1999 auf. Im September 1999 stellte der Kläger erneut einen Kindergeldantrag für seine drei Kinder. Dabei teilte der Kläger mit Schreiben vom 15. September 1999 mit, in Istanbul seien derzeit wegen eines Erdbebens alle Schulen geschlossen. Die Kinder würden daher in M zur Schule gehen. Der Kläger fügte Eintrittsmeldungen der Städtischen Berufsschule in M vom 13. September 1999 für alle drei Kinder bei, aus denen sich ergibt, dass die Kinder für Block … (B, C) bzw. Block … (A) in der Zeit vom … bis … angemeldet worden sind. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29. September 1999 mit, dass Kindergeld vorläufig ab September 1999 nach dem Einkommensteuergesetz gewährt werde, und nahm die Kindergeldzahlungen entsprechend auf.
Anfragen des Beklagten bei der Schule haben ergeben, dass A die Berufsschule ab Mai 2000 im Rahmen einer ca. neun Wochen dauernden Blockbeschulung besucht hat. B und C haben ab Anfang Dezember 1999 wieder die Schule in Istanbul besucht. Die Schule in Deutschland besuchten sie im Schuljahr 1999/2000 nicht.
Mit Bescheid vom 29. November 2000 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab Februar 1999 für alle drei Kinder gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte das für Februar 1999 bis Oktober 2000 bezahlte Kindergeld zurück. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 24. April 2001).
Mit den gegen die Bescheide vom 24. März 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. März 1998 und vom 29. November 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. April 2001 eingereichten Klagen, die vom Senat mit Beschluss vom 23. August 2002 gem. § 73 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, trägt der Kläger vor, der Lebensmittelpunkt der Kinder habe sich seit ihrer Geburt durchgehend bei ihren Eltern in M befunden, wo sie stets mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen seien. Der ausländische Schulbesuch habe daran nichts geändert. Die Kinder hätten auch während ihres Schulbesuchs in der Türkei ihre gesamten Ferien bei den Eltern verbrach...