Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Frist für die Festsetzung der Vergütung nach § 5 Abs. 3 S. 3 StromStG mit der tatsächlichen Entrichtung der Stromsteuer durch den unentdeckten Versorger
Leitsatz (redaktionell)
1. Für Stromsteuervergütungsansprüche beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf desjenigen Jahres zu laufen, in dem der Vergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden ist.
2. Der Vergütungsanspruch nach § 5 Abs. 3 S. 3 StromStG entsteht nicht bereits mit der Verwendung des Stroms durch den unerkannten Versorger, der keine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 StromStG hat, sondern setzt zusätzlich voraus, dass der unerkannte Versorger stromsteuerrechtlich ordnungsgemäß handelte. Dies bedeutet für den Fall, dass durch die tatsächliche Entnahme Steuer entstanden ist, diese der unerkannte Versorger auch bezahlt haben muss, und dass erst mit Ablauf des Jahres der Zahlung die Frist zur Festsetzung der Stromsteuervergütung nach § 5 Abs. 3 S. 3 StromStG beginnt (Abgrenzung zu BFH, Urteil v. 20.9.2016, VII R 7/16, BFH/NV 2016 S. 1835 zu § 51 Abs. 1 des EnergieStG).
Normenkette
StromStG § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1, 3, § 2 Nr. 1, §§ 8, 4 Abs. 1; AO § 155 Abs. 4, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 170 Abs. 3
Tenor
1. Die Bescheide vom 2. März 2016 und die Einspruchsentscheidungen vom 15. November 2016 werden aufgehoben sowie der Beklagte verpflichtet, die Vergütung von Stromsteuer gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 StromStG für das Jahr 2009 in Höhe von insgesamt 34.743,99 EUR und für das Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 199.755,79 EUR festzusetzen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin betreibt an mehreren Standorten Biomasseheizkraftwerke. Den erzeugten Strom speist sie in das öffentliche Netz ein, die anfallende Wärme wird als Prozess- oder Fernwärme verkauft.
Darüber hinaus bezog die Klägerin in den Streitjahren (2009 und 2010) Strom von verschiedenen Versorgungsunternehmen, welchen sie teilweise selbst verbrauchte und teilweise an Letztverbraucher lieferte, mit denen kein Miet-, Pacht- oder vergleichbares Vertragsverhältnis bestanden hat. In den Streitjahren hatte sie keine Erlaubnis als Versorger im Sinne des § 4 Abs. 1 des Stromsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (StromStG). Die Versorger der Klägerin lieferten an sie Strom unter Ausweis von Stromsteuer, die sie später bezahlten.
Mit Schreiben vom 25. April 2013 beantragte die Klägerin u.a. die Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 StromStG, meldete Stromsteuer für einen Teil des von ihr bezogenen und selbst verbrauchten Stromes in den Streitjahren an und beantragte insoweit eine Steuervergütung nach § 5 Abs. 3 Satz 3 StromStG.
Mit Bescheiden vom 13. Mai 2013 setzte der Beklagte (das Hauptzollamt – HZA –) Stromsteuer für die angemeldeten bezogenen und selbst verbrauchten Strommengen fest. Die Klägerin bezahlte diese Steuer im Jahr 2013.
Antragsgemäß setzte das HZA die Vergütung gemäß § 5 Abs. 3 StromStG mit Bescheiden vom 16. Mai 2013 und 22. Mai 2013 für das Jahr 2009 i.H.v. 18.524,82 EUR und für 2010 i.H.v. 186.052,81 EUR jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Die Klägerin legte hiergegen keinen Einspruch ein.
Am 18. Dezember 2014 beantragte sie, die Vergütungen für die Streitjahre, letztlich für 2009 um 16.219,17 EUR und für 2010 um 13.702,98 EUR zu erhöhen. Sie könne nunmehr weitere versteuerte Stromlieferungen an sie rechnungsmäßig nachweisen.
Das HZA erhöhte mit Bescheiden vom 5. Mai 2015, welche bestandskräftig geworden sind, entsprechend die Stromsteuer, welche die Klägerin bezahlte.
Die Anträge auf zusätzliche Vergütung lehnte das HZA mit Bescheiden vom 2. März 2016 ab, weil die Frist für deren Festsetzung abgelaufen sei.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidungen vom 15. November 2016). Das HZA führte aus, der Anspruch der Klägerin auf die Vergütungen habe zwar bestanden, sei aber verjährt. Er habe sich spätestens mit der Anmeldung ihres Versorgers zum 31. Mai 2010 bzw. 31. Mai 2011 konkretisiert. Damit habe die Festsetzungsfrist für die Vergütung mit Ablauf des Jahres 2010 bzw. 2011 geendet und sei bereits bei der ersten Antragstellung im Jahr 2013 abgelaufen gewesen. Daher greife die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) hier nicht ein.
Am 19. Dezember 2016, einem Montag, erhob die Klägerin Klage. Die Festsetzungsfrist bei § 5 Abs. 3 Satz 3 StromStG beginne mit Ablauf desjenigen Jahres, in dem der Vergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden sei. Nach dieser Vorschrift komme eine Vergütung erst dann in Betracht, wenn der Nachweis erbracht worden sei, dass die durch die tatsächliche Entnahme des Stroms en...