Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine wirksame Übertragung der Steuerschuldnerschaft für Einfuhren aus der Schweiz auf den Empfänger durch Klausel in den AGB
Leitsatz (redaktionell)
1. Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer nach § 3 Abs. 8 UStG ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gemäß § 5 UStG steuerfrei sind.
2. Eine wirksame Vertretungsmacht zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf die Kunden eines Lieferers kann nicht durch eine „Klausel” in den Versandbedingungen dieses Lieferers erteilt werden, die lautet „Wir können in Ihrem Namen alle für die Einfuhr aus der Schweiz nötigen Erklärungen abgeben.” Eine derartige den Sachverhalt gestaltende Klausel in den AGB ist für die Kunden überraschend und kann aus diesem Grund zivilrechtlich nicht wirksam in die Verträge einbezogen worden.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 3 Abs. 6, 8, §§ 5, 13 Abs. 2, § 21; BGB § 305c Abs. 1; EWGV 2913/92 Art. 5 Abs. 4 S. 2, Art. 205 Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig sind der Ort von Lieferungen der Klägerin und die damit zusammenhängende Steuerbarkeit dieser Lieferungen in Deutschland.
Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in Z. Gegenstand ihres Unternehmens ist ….
Die Klägerin vertrieb im Streitjahr Waren durch …. Dabei bediente sich die Klägerin seit dem Jahr … für die Versendung ihrer Waren an Endverbraucher in Deutschland eines in der Schweiz, in …, ansässigen externen Dienstleistungsunternehmens, einer Firma Y, die im in die Gesellschaft „X” umfirmiert wurde. Die Waren der Klägerin wurden in das Logistikzentrum der X in der Schweiz verbracht, logistisch erfasst und gelagert. Nach Eingang einer Bestellung aus Deutschland wurde die Ware konfektioniert, d.h. insbesondere verpackt, mit Adressaufklebern versehen und zum Verteilerzentrum der Deutschen Post … in Deutschland verbracht; von dort wurde die Ware an die Kunden in Deutschland versendet. Dazu war im Vertrag zwischen der Klägerin und der X weiter vereinbart, dass die für das Ausland aus der Schweiz abgehenden Sendungen durch die X zur Ausfuhr aus der Schweiz angemeldet werden. Die Waren mit einem Warenwert von bis zu 22 EUR wurden im Sammelanmeldeverfahren auf „Freischreibungen von Sendungen” im Namen der Endkunden beim Zollamt zur Einfuhr nach Deutschland zollamtlich abgefertigt. Dabei wurden die einzelnen Leistungsempfänger in einer separaten Liste mit Namen, Adresse, Ware und Warenwert jeweils dokumentiert. Bei Lieferungen mit einem Warenwert über 22 EUR erfolgte die Zollabfertigung zwar gleichfalls im Wege einer Sammelzollanmeldung, hier aber im Namen und auf Rechnung der Klägerin.
Nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung setzte der Beklagte (das Finanzamt; im Folgenden: FA) die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum mit Änderungsbescheid vom … auf xxx EUR fest. Gegenstand der Prüfungsfeststellungen war, dass keine wirksame Bevollmächtigung der Klägerin zur Abgabe der Zollanmeldung durch die Kunden vorgelegen habe und der Leistungsort dieser Lieferungen deshalb gemäß § 3 Abs. 8 Umsatzsteuergesetz (UStG) im Inland gewesen sei; die zu 7 und zu 19 Prozent steuerpflichtigen Leistungen von … wurden entsprechend erhöht und es kam zu einer Nachforderung in Höhe von insgesamt xxx EUR.
Gegen den Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum war der Einspruch vom … (Frühleerung) gerichtet.
Mit Einspruchsentscheidung vom … 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Dagegen ist die Klage vom … 2010 gerichtet.
Mit Umsatzsteuerbescheid vom … 2012 setzte das FA die Umsatzsteuer für … auf den negativen Betrag von xxx EUR fest; die Abweichungen zur Steuererklärung der Klägerin vom … 2011 beruhten dabei lediglich auf den Prüfungsfeststellungen des Berichts vom … für die Voranmeldungszeiträume ….
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, dass sich der Ort der streitigen Lieferungen deshalb in der Schweiz befinde, weil die Klägerin wirksam von den Endkunden dazu bevollmächtigt worden sei, in deren Namen die Zollanmeldung abzugeben. Dabei hätten die Kunden die Klägerin in jedem Einzelfall vertraglich dazu ermächtigt, für sie jeweils die Übertragung der Steuerschuldnerschaft zu erklären. Hier sei eine wirksame Bevollmächtigung zur Abgabe der Zollanmeldung im Namen der Kunden durch eine vorformulierte Klausel in den jeweils – je nach Bestellart – verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin erfolgt, die durchweg lautete:
„Wir können in Ihrem Namen alle für die Einfuhr aus der Schweiz nötigen Erklärungen abgeben. Für alle eventuellen Zölle und Steuern kommt A für Sie auf. Dieser Service ist gratis.”
Deshalb befände sich der Lieferort der Kleinsendungen gemäß § 3 Abs. 6 UStG in der Schweiz, da die Regelung des § 3 Abs. 8 UStG im Streitf...