Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammenwirken auf Veräußererseite als Voraussetzung für ein einheitliches Vertragswerk. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 19/22)
Leitsatz (redaktionell)
1. Bauerrichtungskosten sind nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn das Grundstück von einer Person erworben wird, die erstens zur Veräußererseite gehört und die zweitens bestimmenden Einfluss auf das „Ob” und „Wie” der Bebauung hat. Erwerbsgegenstand ist in diesem Fall das (bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags noch) unbebaute Grundstück.
2. Im Streitfall hat das Finanzamt zu Recht neben dem Grundstückskaufpreis auch die Baukosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen, da ein Zusammenwirken auf Veräußererseite vorlag, die Erwerberin nicht zur Veräußererseite gehörte und bei Abschluss des Kaufvertrags das „Ob” und „Wie” der Bebauung bereits feststand.
Normenkette
GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für die Annahme eines einheitlichen Vertragswerks erfüllt sind.
An der Klägerin waren Herr A i.H.v. 94 %, dessen Kinder i.H.v. insgesamt 6 % beteiligt. An der grundbesitzenden X GmbH waren Herr A und Herr B i.H.v. jeweils 2,55 %, die Y GmbH i.H.v. 94,9 % beteiligt. An der Y GmbH war die Z GmbH i.H.v. 100 %, an der Z GmbH waren die Herren A und B i.H.v. jeweils 50 % beteiligt.
Die X GmbH war seit mehreren Jahren Alleineigentümerin der Grundstücke 1 und 2. Grundstück 1 war 2.458 qm, Grundstück 2 1.861 qm groß. Beide Grundstücke waren zusammen im Grundbuch Blatt 104 unter der lfd. Nr. 5 des Bestandsverzeichnisses eingetragen. Die X GmbH hatte geplant, auf dem Grundbesitz ein Wohn- und Gewerbeprojekt zu erstellen. Das Bauvorhaben war in zwei Teile aufgeteilt. In Teil 1 sollten Appartements und ein Gewerberaum, in Teil 2 ca. 90 Wohnungen verwirklicht werden. Der noch zu errichtende Gewerberaum war bereits mit Mietvertrag vom 21. Mai 2015 an den künftigen Nutzer vermietet worden. Ursprünglich war vorgesehen, dass die X GmbH das Bauvorhaben alleine durchführt. Im Hinblick auf die geplante Bebauung waren der X GmbH zunächst ein Bauvorbescheid und im Jahr 2016 die Baugenehmigung erteilt worden. Im Laufe des Jahres 2016 wurde das Bauvorhaben unter Einschaltung einer Gesellschaft, deren Anteile mehrheitlich von der Z GmbH gehalten wurden, ausgeschrieben. Auch zu diesem Zeitpunkt war eine Realisierung des Bauvorhabens allein durch die X GmbH geplant. Als Ergebnis der Ausschreibung wurden vier Bauunternehmen in die engere Auswahl gezogen. Letztendlich entschied sich die X GmbH für die Baufirma S als ausführendes Unternehmen und verhandelte mit dieser Ende 2016/Anfang 2017 über das Generalunternehmerangebot.
Im Angebot vom 11. Januar 2017 benannte die Baufirma S der X GmbH einen Angebotspreis von netto 30,1 Mio EUR für das Gesamtvorhaben. Die Baufirma S wies darauf hin, dass sie ihr bisheriges Angebot u.a. entsprechend dem Bietergespräch vom 22. Dezember 2016 überarbeitet hatte.
Das Angebot der Baufirma S an die X GmbH vom 30. Januar 2017 wies einen Angebotspreis von netto 30 Mio EUR aus, der sich bei einer Beauftragung bis 31. Januar 2017 auf 29,9 Mio EUR reduzieren sollte.
Ende des Jahres 2016 entschieden die Herren A und B, das Bauvorhaben gemeinsam über die X GmbH und die Klägerin zu realisieren und den Grundbesitz nach Fertigstellung der Bebauung aufzuteilen. Letztlich sollte die Familie A über die Klägerin Teil 1 des Bauvorhabens, die Familie B über die X GmbH Bauteil 2 halten.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31. Januar 2017 erwarb die Klägerin von der X GmbH einen Miteigentumsanteil (MEA) von 45,72/100 an den Grundstücken 1 und 2 zum Kaufpreis von … EUR. In § 2 des Vertrages ist festgehalten, dass die X GmbH und die Klägerin beabsichtigten, den Grundbesitz entsprechend den Bestimmungen der Baugenehmigung gemeinsam zu bebauen und anschließend real zu teilen. Eine Teilung des Grundstücks sei aufgrund der bestehenden Genehmigungslage ohne vorherige Einholung einer neuen Baugenehmigung erst im Anschluss an die Bebauung möglich. In § 3 Ziff. 3.9 des Vertrages bestätigte die Klägerin u.a., dass ihr die Baugenehmigung vom Mai 2016 bekannt sei. In § 5 Ziff. 5.2 des Vertrages hielten die Parteien fest, dass sie bei der gemeinschaftlichen Bebauung des Grundbesitzes einvernehmlich zusammenwirken und die Bebauung bestmöglich fördern. In § 6 Ziff. 6.1 des Vertrages bewilligte der Verkäufer und beantragte die Käuferin die Eigentumsumschreibung des 45,72/100 Anteils im Grundbuch. In Teil C des Vertrages schlossen die Parteien einen aufschiebend bedingten Tauschvertrag nebst (unbedingt erklärter) Auflassung. In dessen § 1 Ziff. 1.1 bewilligten die X GmbH und die Klägerin die Teilung des Grundbesitzes und die Eintragung der Grundstücke 1 und 2 als jeweils selbständiges Grundstück im Grundbuch. ...