rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
„Zufluss” des Arbeitslohns bei Einräumung von Genussrechten an Arbeitnehmer trotz des Ausschlusses der Auszahlung bis zum Ausscheiden des Mitarbeiters. Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG bei Mitarbeitergenussrechten
Leitsatz (redaktionell)
1. Der unentgeltliche Bezug von Mitarbeitergenussrechten führt zu Einnahmen im Sinne des § 8 Abs. 1 EStG und ist damit Teil des Arbeitslohns nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn diese für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gewährt werden.
2.Der für den den Zufluss des geldwerten Vorteils maßgebliche Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an den Genussrechten kann auch dann schon zum Zeitpunkt der Zeichnung des Genussrechts durch die Arbeitnehmer und der Gutschrift auf einem jeweils bestehenden Mitarbeiterkonto erfolgt sein, wenn nach den vertraglichen Genussrechtsbedingungen des Arbeitgebers die Genussrechtsinhaber erst im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis oder bei Kündigung des Genussrechtsvertrags aus wichtigem Grund einen Anspruch auf Auszahlung des Nennwerts des Genussrechtskapitals (d.h. des Kapitalstocks) haben und wenn der jeweilige Genussrechtsinhaber die Vermögensbeteiligung als Stammrecht während der Laufzeit des Genussrechtsvertrags nicht an Dritte veräußern kann.
3. Auch wenn die den Mitarbeitern eingeräumten Genussrechte zwar keine Mitunternehmerstellung, jedoch unverbriefte Genussrechte mit Gewinn- und Verlustbeteiligung (aber ohne Beteiligung am Geschäftswert und den stillen Reserven) beinhalten, berechtigen sie zur Inanspruchnahme der lohnsteuersteuerlichen Freigrenze für Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG. § 19a Abs. 2 Satz 7 stellt keine gegenüber § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangige Spezialvorschrift dar; der Senat sieht die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG gegenüber dem Freibetrag nach § 19a Abs. 1 EStG als unabhängig anwendbare Rechtsnorm an.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1, 2 Sätze 1, 9, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 19a Abs. 1, 2 S. 7, § 11 Abs. 1 S. 1, § 38a Abs. 1 S. 3; 5. VermBG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. l
Nachgehend
Tenor
1. Der Nachforderungsbescheid vom 14.12.2005 über Lohnsteuer von 3.439,32 EUR, Kirchenlohnsteuer evangelisch von 72,22 EUR, Kirchenlohnsteuer römisch-katholisch von 168,51 EUR und Solidaritätszuschläge von 189,16 EUR wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Genussrechte, die die Klägerin ihren Arbeitnehmern unentgeltlich eingeräumt hat, innerhalb der Freigrenze für sonstige Sachbezüge von der Lohnbesteuerung auszunehmen sind.
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, betreibt einen Buchverlag und beschäftigt in etwa 300 Arbeitnehmer. Im Jahr 2004 beabsichtigte die Geschäftsleitung der Klägerin, einem nach festgelegten Kriterien ermittelten Kreis ihrer Mitarbeiter Vermögensbeteiligungen in Gestalt von Gewinngenussrechten zu gewähren. Zu diesem Zweck beantragte sie über ihren damaligen steuerlichen Vertreter beim Beklagten die Erteilung einer Anrufungsauskunft zur Klärung der lohnsteuerlichen Behandlung der finanziellen Zuwendungen in der seinerzeit geplanten Weise. Nach einiger Korrespondenz zwischen den Beteiligten erteilte der Beklagte mit Schreiben vom 13.01.2005 eine verbindliche Auskunft, die dem von der Klägerin gewünschten lohnsteuerrechtlichen Ergebnis jedoch nicht vollständig entsprach. Mit Schreiben vom 6.04.2005 beantragte die Klägerin beim Beklagten, die Lohnsteuer für die nach Ansicht des Beklagten lohnsteuerpflichtigen Genussrechte im Wege der Pauschalierung nach § 40 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) selbst zu übernehmen. Mit Schreiben vom 9.08.2005 entsprach der Beklagte diesem Antrag und errechnete für die Lohnversteuerung einen anzuwendenden Durchschnittssteuersatz von 44,9% des Sachbezugswerts. Ab Oktober 2005 praktizierte die Klägerin die unentgeltliche Gewährung von Genussrechten nach einem allerdings gegenüber ihrem früheren Konzept abweichenden Verfahren. Die hierfür in Betracht kommenden Arbeitnehmer der Klägerin schlossen mit Letzterer jeweils einen zunächst bis zum Ende des Jahres 2007 befristeten Individualvertrag, demzufolge sie monatlich unentgeltlich ein unverbrieftes Genussrecht im Wert von 44,– EUR erwarben, das einem auf ihren Namen angelegten Kapitalkonto (Kapitalstock) gutgeschrieben wurde. Die Genussrechte berechtigten die Inhaber nicht nur zur Beteiligung am Gewinn der Klägerin, sondern nahmen auch an einem etwaigen Verlust teil. Im Fall eines Gewinns sollte der auf die Genussrechte entfa...