Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für Abgabenerhebung bei nicht ordnungsgemäß erledigtem Steueraussetzungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Ware wird dem Steueraussetzungsverfahren entzogen, indem das begleitende Verwaltungsdokument gegen gefälschte Ausfuhrpapiere ausgetauscht und bei der Ausgangszollstelle eine andere als die in das Verfahren der Steueraussetzung übergeführte Ware angemeldet und hierbei die gefälschten Versandpapiere vorgelegt werden.
2. Dadurch wird der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht und die zehnjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO in Gang gesetzt, die auch gegenüber dem Versender der Ware gilt, wenn die von diesem mit dem Transport beauftragten Personen an der Steuerhinterziehung beteiligt gewesen sind.
3. Zuständig für die Abgabenerhebung ist der Mitgliedstaat, in dem die Entziehungshandlung begangen worden ist. Ist die Abgabenerhebung zu einem Zeitpunkt als der Ort der Entziehung noch nicht feststand, in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat, in dem die Entziehungsshandlung tatsächlich begangen wurde, über, wenn der Ort der Entziehungshandlung innerhalb von drei Jahren ab Ausstellung des begleitenden Verwaltungsdokuments ermittelt wird.
Normenkette
BranntwMonG § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 143 Abs. 1, 4 S. 1 Nr. 1; RL Nr. 92/12/EWG Art. 19 Abs. 4; RL Nr. 92/12/EWG Art. 20 Abs. 1; RL Nr. 92/12/EWG Art. 20 Abs. 4; AO § 169 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht als Schuldner von Branntweinsteuer in Anspruch genommen wurde.
Die Klägerin versandte am 12. Dezember 1996 mit dem begleitenden Verwaltungsdokument (bVd) Nr. 2050 25.175 Liter 96,4%igen Alkohol zur Ausfuhr unter Steueraussetzung von Italien über Deutschland nach Lettland. Als Bestimmungsstelle war das Zollamt W angegeben. Fahrer des Transports war P.
Nach den Feststellungen des Beklagten (das Hauptzollamt – HZA) und im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 2. September 1999 (Fall Nr. 1), mit dem P wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, wurde der Alkohol unter Vorlage gefälschter Ausfuhrpapiere, die tatsachenwidrig auf nicht hochsteuerbare Waren lauteten, zur Ausfuhr an das Zollamt W verbracht und ausgeführt.
Das HZA setzte deshalb mit Steuerbescheid vom 17. Februar 2006 gegenüber der Klägerin als Versender des Alkohols Branntweinsteuer i.H.v. 316.413,93 EUR fest, da die Sendung in Deutschland dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden sei. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit ihrer Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die deutsche Zollverwaltung nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tag der Ausfertigung des bVd die Branntweinsteuer nicht mehr hätte festsetzen dürfen. Deutschland sei nicht innerhalb dieser Dreijahresfrist als der Mitgliedstaat ermittelt worden, in dem die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist. Die italienische Zollverwaltung habe ihr gegenüber bereits am 14. Mai 1998 einen Steuerbescheid für den streitgegenständlichen Alkoholtransport erlassen.
Die Klägerin beantragt,
den Steuerbescheid vom 17. Februar 2006 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen
und verweist auf den Beschluss des Gerichts vom 22. Mai 2007 – 14 V 4589/06.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Das HZA hat die Klägerin zu Recht als Schuldner der entstandenen Branntweinsteuer in Anspruch genommen.
1. Die Branntweinsteuer für den mit dem streitgegenständlichen Transport aus Italien über Deutschland nach Tschechien verbrachten Alkohol ist gem. § 143 Abs. 1 Satz 1 Branntweinmonopolgesetz – BranntwMonG – entstanden.
Nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entsteht die Steuer, wenn Alkohol während der Beförderung nach den §§ 140 bis 142 BranntwMonG im Steuergebiet dem Steueraussetzungsverfahren entzogen wird, es sei denn, dass er nachweislich untergegangen oder an Personen im Steuergebiet abgegeben worden ist, die zum Bezug von Erzeugnissen unter Steueraussetzung berechtigt sind.
a) Der beförderte Alkohol befand sich im Steueraussetzungsverfahren. Er ist unter Steueraussetzung im innergemeinschaftlichen Versandverfahren von Italien durch das deutsche Steuergebiet (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG) befördert worden (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG). Das Steueraussetzungsverfahren ist wirksam eröffnet worden.
Zwar ist dann kein wirksames Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn der Versender im bVd einen nicht bezugsberechtigten oder nicht existierenden Empfänger im Inland angibt und dies auch weiß (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil VII B 39/99 vom 17. März 2000, ZfZ 2000, 312; Urteil d...