rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Häusliches Arbeitszimmer eines Klinikseelsorgers. Einkommensteuer 1996
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Seelsorger, der an 345 Tagen im Jahr eine von ihm betreute Klinik, ein Seniorenstift sowie eine Sozialstation aufsucht, stellt das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit dar, und es ist ohne Erbringung des vom FA geforderten Nachweises über eine bestimmte Zeit auch nicht glaubhaft, dass er mehr als 50 % seiner Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer verbringt.
2. Ein dem Seelsorger in der Klinik zur Verfügung stehender Raum mit Schreibtisch, Telefonanschluss, Sitzgelegenheiten für Besucher usw., in dem er wöchentlich 12 Sprechstunden abhält, den er sich aber (zeitweise) mit einer Sekretärin und einem andern Geistlichen teilen muss, stellt im Hinblick auf die bei der Seelsorge erforderliche Diskretion und die dabei erforderlichen Vier-Augen-Gespräche keinen „anderen Arbeitsplatz” i. S. von § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG dar.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2, § 9 Abs. 5, §§ 12, 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 3
Tenor
1. In Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1996 vom 6. Februar 1998, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 1998, wird die Einkommensteuer auf 18.845 EUR (entspricht 36.859 DM) festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob bei der Einkommensteuer(ESt)-Veranlagung des Klägers im Streitjahr 1996 Aufwendungen in Höhe von 2.400 DM für ein „häusliches Arbeitszimmer” als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden dürfen.
Der am 6. Februar 1926 geborene Kläger war zunächst hauptamtlich an Berufsschulen tätig. Im Streitjahr 1996 erzielte er als Klinikseelsorger (Fachklinik … Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und betreute zusätzlich das an die Fachklinik angrenzende Seniorenstift, das „Betreute Wohnen” und die Sozialstation, wo auch Gottesdienste abgehalten wurden. In der Fachklinik stand dem Kläger ein Arbeitszimmer mit 17,34 qm Nutzfläche zur Verfügung, das er zur Erledigung beruflicher Arbeiten nutzen konnte. Es war mit einem Schreibtisch, einem Aktenschrank und einer Sitzgruppe für Besucher ausgestattet. Ein weiterer Schreibtisch war für den Pastoralreferenten vorgesehen. Das Büro ist über eine eigene Telefonnummer zu erreichen. Die nach eigener Angabe durch den Kläger wahrgenommenen Sprechzeiten der katholischen Klinikseelsorge im Klinikum … waren Dienstag und Donnerstag von 14.00 bis 17.00 Uhr sowie Mittwoch und Freitag von 09.00 bis 12.00 Uhr. Während der übrigen Zeit waren nach Angabe des Klägers die Sekretärin und der Pastoralreferent in dem Büro tätig.
Im streitigen Zeitraum wohnte der Kläger in einer Mietwohnung in …, (1 km von seiner Dienststelle entfernt). Dort nutzte er im Kellergeschoss ein mit Heizkörper und Teppichboden ausgestattetes, von der übrigen Wohnung abgetrenntes „häusliches Arbeitszimmer” mit einem separaten Eingang, das von der Diözese als solches anerkannt und deswegen mitausgestattet wurde. Dieser Raum hatte eine Nutzfläche von 18,5 qm. Nach den früheren Angaben des Klägers bildete das „häusliche Arbeitszimmer” für ihn den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit (Ausarbeiten von Predigten, Vorbereitung der Gottesdienste und Andachten, Ausarbeitung von Dia- und Meditationsvorträgen, Zusammenstellung, Kopieren und Schneiden der monatlichen Pfarr- und Begrüßungsbriefe etc.). In diesem Zimmer befanden sich u. a. die Predigt- und Fachliteratur, das Dia-Archiv, ein Kopierer, eine Schneidemaschine und ein Arbeits-/Schreibtisch.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.
Zum Umfang der beruflichen Betätigung des Klägers im Streitjahr 1996 ergeben sich aus den Steuerakten noch folgende weitere Anhaltspunkte: Der Kläger war nach seinen Angaben in der ESt-Erklärung in diesem Jahr an 345 Tagen (7 Tage pro Woche, bei 20 Urlaubstagen) in seinem Seelsorgebereich (Fachklinik, Seniorenstift etc.) tätig. Darüber hinaus war er in – erheblichem Umfang im seelsorgerischen Auftrag unterwegs (Altenheime, Krankenhäuser, Behindertenheime, Universitätsklinik … Ordinariat etc.).
In der beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) eingereichten ESt-Erklärung für 1996 beantragte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u. a. den Abzug von Aufwendungen für ein „häusliches Arbeitszimmer” in seiner angemieteten Wohnung in Höhe von 3.283 DM als Werbungskosten. Die Aufwendungen setzen sich aus den anteiligen Kosten für die Miete der Wohnung, für die Haushälterin (Reinigung), für Putzmittel und für Hausversicherungen zusammen.
Der ...