Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbösernde Änderung des Steuerbescheides während des Einspruchsverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Während eines laufenden Einspruchsverfahrens darf das Finanzamt nach Hinweis auf diese Möglichkeit einen verbösernden Steuerbescheid erlassen.
Normenkette
AO § 367 Abs. 2, § 129
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob das Finanzamt Bescheide ändern durfte.
Die Klägerin ist die Witwe eines 2004 verstorbenen Gesellschafters der M KG (im Folgenden: KG). Sie erhält auf Grund einer die Entnahmeberechtigung der Gesellschafter ergänzenden Vereinbarung vom …196…, die danach mehrfach geändert wurde, auf Lebenszeit – längstens bis zur Wiederverheiratung – eine auf dem Gesellschaftsvertrag beruhende monatliche Vergütung (60% der ehemals dem verstorbenen Ehemann zustehenden Beträge). Nach einem Streit über die Berechtigung der Klägerin auf diese Zahlung schloss sie mit der KG am ….2004 eine Vereinbarung, wonach sie seit Oktober 2004 von der KG eine monatliche Witwenrente auf Lebenszeit nach näherer Maßgabe der Vereinbarung erhält. Den Streit mit dem beklagten Finanzamt (FA) über die Frage, ob diese Zahlungen nachträgliche Einkünfte nach § 24 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind und die Klägerin in das Feststellungsverfahren der KG einzubeziehen ist, entschied das Finanzgericht München hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2004 mit Urteil vom 09.11.2011 unter dem Az. 1 K 2518/08 in diesem Sinne.
Während des vorgenannten Klageverfahrens erließ das FA für die KG Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume 2007 (Bescheid vom 29.04.2009) und 2008 (Bescheid vom 16.03.2010). In beiden Bescheiden wird die Beteiligung der Klägerin an den laufenden Einkünften der KG mit einer Quote und einem Betrag von Null festgestellt, sowie als Sonderbetriebseinnahmen die Witwenrente in erklärter Höhe von ….045,87 EUR (Jahr 2007) und ….322,60 EUR (Jahr 2008). Sie wurden im Wege der Einzelbekanntgabe der Klägerin bekannt gegeben, wobei sämtliche Besteuerungsgrundlagen mit Ausnahme ihrer Sonderbetriebseinnahmen vorher abgedeckt worden waren. Nach Einlegung von Einsprüchen (gegen den Bescheid für 2007 mit Schreiben vom 18.05.2009; Bl. 1 der Rb-Akte; gegen den Bescheid für 2008 mit Schreiben vom 23.03.2010, Bl. 5 der Rb-Akte) wurden die jeweiligen Einspruchsverfahren mit Blick auf das damals noch anhängige Verfahren zu 2004 vom FA zum Ruhen gebracht und die Vollziehung der Bescheide ausgesetzt (Aussetzungsbescheid für 2007 vom 08.06.2009; für 2008 vom 22.04.2010).
Die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungen wurden in der Folgezeit nach Angabe des FA mehrfach geändert, wobei die nicht abgedeckten – die Klägerin betreffenden – Teile keine Änderungen aufwiesen. In der Akte befinden sich die Änderungsbescheide für 2007 vom 15.05.2009 (Aktenausfertigung nicht an die Klägerin adressiert) und für 2008 vom 30.03.2010 (von den zwei Aktenausfertigungen ist eine an die Klägerin adressiert).
In der Zeit vom 21.04.2010 bis 20.04.2011 führte das FA eine Außenprüfung bei der KG für die Jahre 2006 bis 2008 durch, deren Ergebnisse im Prüfungsbericht vom 24.05.2011 festgehalten wurden. Eine Kopie des Berichts, in der sämtliche nicht die Klägerin betreffenden Feststellungen abgedeckt sind, liegt der Steuerakte der Klägerin bei. In dessen Anlage 2 finden sich in der Spalte der Klägerin die Einträge:
bisher lt. Vlg |
0 |
Änderung |
|
lt. BP |
o.Ä. |
Die aufgrund der Außenprüfung erlassenen Änderungsbescheide für die Streitjahre gingen am 03.11.2011 mit einfachem Brief zur Post. In beiden Bescheiden sind – bei der im Streitfall üblichen Abdeckung der nicht die Klägerin betreffenden Besteuerungsgrundlagen – die Sonderbetriebseinnahmen der Klägerin mit Null ausgewiesen. Außerdem wird der zuvor enthaltene Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Für beide Streitjahre ergingen am 18.09.2012 „nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderte Steuerbescheide” – nach den Erläuterungen aufgrund einer Beteiligungsmitteilung –, die im Übrigen unverändert den Anteil der Klägerin am quotal zu verteilenden Gewinn der KG mit Null und die Sonderbetriebseinnahmen der Klägerin mit Null ausweisen.
Im November 2012 erkannte das FA im Rahmen der Einspruchsbearbeitung den fehlerhaften Nichtausweis der Sonderbetriebseinnahmen in den Änderungsbescheiden vom 03.11.2011 und kündigte mit Schreiben vom 08.11.2012 (Bl. 19 der ESt-Akte 2008), in dem es den Sachverhalt schilderte und rechtlich würdigte, berichtigte Feststellungsbescheide an. Am 05.12.2012 erließ es für beide Streitjahre nach § 129 AO berichtigte Feststellungsbescheide, in denen es die Sonderbetriebseinnahmen der Klägerin mit demselben Betrag wie zuletzt in den Bescheiden für 2007 vom 15.05.2009 und für 2008 vom 30.03.2010 feststellte.
Gegen diese Änderungsbescheide vom 05.12.201...