Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflichtiger Erwerb eines Pflichtteilsanspruchs trotz späterem Verzicht. Erbschaftsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Verzichtet der Plichtteilsberechtigte nach Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs auf seinen Anspruch so wird dadurch die Steuerpflichtigkeit seines Erwerbs nicht aufgehoben.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 1b, §§ 11, 13 Nr. 11; BGB § 2317 Abs. 1; ZPO § 852; AO § 165 Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 3-4
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch der Erbschaftsteuer unterworfen werden kann, wenn dem Pflichtteilsberechtigten infolge eines Verzichts auf den Anspruch keine Vermögensmehrung zugeflossen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz – ErbStG –).
I.
Der am 11. Januar 1991 verstorbene Erblasser … wurde aufgrund notariellen Testaments vom 6. April 1984 von seiner Tochter H. (ehemals verehelichte P.), der Beigeladenen, allein beerbt (vgl. Erbschein des Amtsgerichts … vom 23. Januar 1992).
Die Beigeladene hat in ihrer 1994 abgegebenen Erbschaftsteuererklärung als Verbindlichkeit einen Pflichtteilsanspruch der Ehefrau des Erblassers, ihrer Mütter und Klägerin, (J.) in Höhe von 1.921.498,91 DM aufgeführt, zugleich auch mitgeteilt, dass nach Geltendmachung auf diesen Anspruch verzichtet worden sei (Bl. 71 FA-Akte). Als Gegenleistung dafür habe sie auf ihren Pflichtteil am Nachlass der Mutter verzichtet.
Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 24. Oktober 1994 (Bl. 97 FA-Akte) setzte das Finanzamt für den Pflichtteilswert gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 183.854 DM fest. Der Bescheid erging gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig hinsichtlich Vorschenkungen und der Höhe des Pflichtteilsanspruches, weil diese Werte noch nicht endgültig feststanden.
Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass sie den Pflichtteil nicht geltend gemacht habe. Sie habe vielmehr mit notariellem Vertrag vom 25. März 1992, URNr. C 533/1992, gegenüber der Alleinerbin auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichtet (Bl. 108 ff FA-Akte).
Tz. II des Vertrages lautet:
„Verzicht auf den entstandenen Pflichtteil: J. und H. verzichten hiermit auf ihre gesetzlichen Pflichtteilsansprüche bezüglich des verstorbenen … H. nimmt diesen Verzicht hiermit an. Zwischen den Vertragsteilen wird klargestellt, dass bezüglich des Nachlasses des Verstorbenen keinerlei gegenseitige Ansprüche mehr bestehen.”
Während des Einspruchsverfahrens setzte das Finanzamt wegen des bisher unberücksichtigten Freibetrages lt. § 17 ErbStG die Erbschaftsteuer auf 156.354 DM herab.
Die mit Schreiben vom 17. Dezember 1998 (Bl. 220 FA-Akte) zu dem Einspruchsverfahren gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO hinzugezogene Erbin führte aus, dass die Klägerin über ihre Rechtsanwälte … bereits mit Schreiben vom 11. März 1991 den Pflichtteil geltend gemacht habe, denn in diesem Schreiben heiße es wörtlich: „Den ihr gemäß § 2303 Abs. II BGB zustehenden Pflichtteilsanspruch sind wir geltend zu machen beauftragt.”
Die Schreiben der beauftragten Rechtsanwälte könnten nicht als bloßes Auskunftsverlangen angesehen werden, weil die Ansprüche auch nach Vorlage des Nachlassverzeichnisses, also nach Erfüllung des Auskunftsverlangens, weiterverfolgt worden seien. Der im notariellen Vertrag vom 25. März 1992 ausgesprochene Pflichtteilsverzicht setze notwendig voraus, dass dieser vorher geltend gemacht wurd. Es sei nicht auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen, sondern auf (bereits geltend gemachte) Pflichtteilsansprüche verzichtet worden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. November 2000 (Bl. 247 FA-Akte) ging das Finanzamt davon aus, dass noch keine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches erfolgt sei. Die Vorläufigkeit hinsichtlich der Höhe des Pflichtteils blieb u.a. weiterhin bestehen.
Auf Klage der Alleinerbin und nunmehrigen Beigeladenen hin hob der erkennende Senat mit Urteil vom 16. Oktober 2002, Az. 4 K 591/00, die Einspruchentscheidung vom 6. November 2000 auf, weil er der Auffassung war, dass der Pflichtteilsanspruch bereits geltend gemacht worden sei. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2003 (Bl. 362 FA-Akte) wies das Finanzamt den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der spätere Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ändere nichts daran, dass dieser bereits geltend gemacht worden sei; auf eine Realisierung des Anspruches komme es nicht an. Die Vorläufigkeit hinsichtlich der Höhe des Pflichtteils blieb bestehen.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass die Hinzuziehung der Anelherbin zum Einspruchsverfahren zu spät erfolgt sei, nämlich erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist. Außerdem habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 18. Juli 1973 II R 34/69, BStBl II 1973, 800, (BHE 110, 176) entschieden, dass, wenn sich ein Pflichtteilsberechtigter vergleichsweise mit Weniger zufrieden gebe, e...