rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlleistungen eines Chefarztes eines Krankenhauses als selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit. Abfindungszahlungen über mehrere Jahre
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob ein Chefarzt eines Krankenhauses wahlärztliche Leistungen selbstständig oder unselbstständig erbringt, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, wobei besonders hervorzuheben ist, dass die Tätigkeiten eines Chefarztes zur Erbringung der wahlärztlichen Leistungen regelmäßig zu den dienstvertraglich geschuldeten Leistungen gehören.
2. Eine Abfindungszahlung für eine „Freizeitphase”, an die sich der Ruhestand des Chefarztes anschließt, ist deshalb insgesamt den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zuzuordnen.
3. Erstrecken sich Zahlungen über mehrere Veranlagungszeiträume, bleibt regelmäßig kein Raum für die Anwendung des § 34 EStG.
Normenkette
EStG §§ 18-19, 34
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die verheirateten Kläger werden beim Beklagten, dem Finanzamt M, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt und erzielen Einkünfte aus selbständiger sowie aus nichtselbständiger Tätigkeit, Vermietung und Verpachtung sowie Renteneinkünfte. Streitig ist, ob eine im Streitjahr an den Kläger gezahlte Abfindung wegen vorzeitiger Beendigung seines Chefarztvertrags im Kreisklinikum in Höhe von 75.000 EUR bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder als Aufgabegewinn unter Berücksichtigung des bislang nur teilweise verbrauchten Freibetrags bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit anzusetzen ist, sowie ob Aufwendungen für eine seit 2006 leerstehende Einliegerwohnung als vorweggenommeine Werbungskosten für Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2010 erklärten die Kläger einen Aufgabegewinn des Klägers in Höhe von 89.196 EUR, der sich aus dem Entnahmewert des häuslichen Arbeitszimmers sowie der im Januar 2010 ausgezahlten Pauschalvergütung von 75.000 EUR zusammensetzte. Sie beantragten hierfür den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 und die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte ordnete die Abfindungszahlung, von der der Arbeitgeber des Klägers Lohnsteuer einbehalten hatte, im Einkommensteuerbescheid 2010 den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu. In einem mit der Einspruchsentscheidung verbundenen Einkommensteuerbescheid vom selben Tag hob er die zunächst – wie in den Vorjahren – vorläufig anerkannten Verluste aus Vermietung und Verpachtung der Einliegerwohnung I.weg 9 im Anwesen des Klägers unter Hinweis auf die nicht nachgewiesene Einkunftserzielungsabsicht auf und erklärte die Festsetzung für endgültig; der Entnahmegewinn wurde hierbei nicht an die Feststellungen der Betriebsnahen Veranlagung angepasst.
Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie führen aus, der Kläger sei seit 1984, zuletzt als leitender Abteilungsarzt, in der inneren Abteilung der Kreiskliniken Unterallgäu gewesen. Die Tätigkeit des Klägers sei einvernehmlich zum 31.3.2009 beendet worden. In einer „Vereinbarung bezüglich Liquidationseinnahmen” vom 27.08.2008 sei „zur Abgeltung aller finanziellen Ansprüche bezüglich des Nebentätigkeitsbereichs” eine Arbeitsphase bis zum 31.3.2009 und eine Freizeitphase vom 1.4.2009 bis zum 31.3.2010 vereinbart worden. Für die Freizeitphase habe der Kläger im Januar 2010 einen Pauschalbetrag von 75.000 EUR erhalten. Dieser sei nicht dem dienstlichen Bereich und den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, sondern dem Nebentätigkeitsbereich und damit den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zuzuordnen. Denn in § 7 seines Dienstvertrags (DV) sei die Vergütung für Tätigkeiten im dienstlichen Aufgabenbereich geregelt gewesen, in § 17 DV die Vergütung für Tätigkeiten im sog. Nebentätigkeitsbereich außerhalb seiner Dienstaufgaben. § 7 DV, der mit „Vergütung für die Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich” überschrieben sei, sehe ein variables Liquidationsrecht für ärztliche Leistungen vor, die Patienten gesondert mit dem Krankenhaus nach dessen Bedingungen vereinbart und in Person des Klägers Anspruch genommen hätten. § 17 DV („Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben”) gestatte dagegen die Liquidation für nicht zu den Dienstaufgaben gehörende Nebentätigkeiten wie die ambulante Beratung und Behandlung (Sprechstundentätigkeit), nichtstationäre Gutachtertätigkeit und konsiliarische Beratung anderer Ärzte. Letztere sollte mit der vereinbarten Abfindung abgegolten werden, was sich auch aus der Bestätigung des Dipl.-Kfm. … vom 29.12.2012 ergebe, der die Besprechungen zur Auflösung des Dienstvertrags als Vorstand der Kreiskliniken U. geführt habe. Durch diese Vereinbarung hätten die Nebentätigkeiten ab April 2010 anderweitig vergeben werden können, was die Findung eines Nachfolgers erleichtern sollte.
Hinsichtlich des Verlusts aus Vermietung und Verpachtung verweise er auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). ...