rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang eines Steuerbescheids. offenbare Unrichtigkeit. fehlende Aufnahme eines Nachprüfungsvorbehalts in einen Steuerbescheid. fehlende Übernahme einer Erhöhung der Kapitalrücklage in die Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagenkontos
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Stellung eines auf einen bestimmten Steuerbescheid bezogenen Änderungsantrags indiziert, dass dem Steuerpflichtgen der betreffende Bescheid auch zugegangen ist.
2. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen.
3. Fehler bei Überprüfung einer elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung können rein mechanische Versehen, also offenbare Unrichtigkeiten i. S. d. § 129 Satz 1 AO sein. Es ist aber auch denkbar, dass fehlerhafte Eingaben auf einem Rechtsirrtum beruhen.
4. Der zutreffende Ansatz des steuerlichen Einlagekontos mit dem Wert der in der Schlussbilanz auf den betreffenden Stichtag ausgewiesenen Kapitalrücklage ist das Ergebnis einer rechtlichen Prüfung, die zudem weitere Sachverhaltsermittlungen erfordert. Der Ansatz eines hiervon abweichenden Wertes (im Streitfall: Null) ist daher keine offenbare Unrichtigkeit.
5. Allein aufgrund des Umstands, dass der Vermerk über das Ergebnis der maschinellen Prüfung den Hinweis enthält, dass Belege angekündigt sind, und der Körperschaftsteuerbescheid den Erläuterungstext enthielt „Bitte reichen Sie innerhalb von drei Wochen nach Erhalt dieses Bescheides den Beschluss über die Einzahlung in die Kapitalrücklage nebst Zahlungsnachweisen ein”, kann ein Wille des Bearbeiters, den Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagenkontos unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu erlassen, nicht unterstellt werden.
Normenkette
AO §§ 122, 129, 164 Abs. 1; KStG § 27 Abs. 2 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein GmbH mit Sitz in München, die beim Amtsgericht unter HRB seit dem im Handelsregister eingetragen ist und beim beklagten Finanzamt (dem Finanzamt – FA –) u.a. zur Körperschaftsteuer veranlagt wird. Die Körperschaftsteuererklärung für 2012 nebst Erklärung zu gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die in Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerveranlagung durchzuführen sind, wurde am 30.12.2013 elektronisch beim FA eingereicht. In der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagenkontos nach § 27 Abs. 2 S. 1 KStG zum 31.12.2012 wurde ein Bestand zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres von 0 EUR und ein Endbestand zum Schluss des Wirtschaftsjahres in Höhe von 0 EUR angegeben. Darüber hinaus enthält die Körperschaftsteuererklärung den Hinweis „Belege werden nachgereicht”. Im Rahmen der Veranlagung ist das FA den Angaben der Klägerin gefolgt. Der Bearbeitervermerk vom 14. April 2014 in den Akten lautet „ohne Abweichung”. Der Ausdruck über das Ergebnis der maschinellen Prüfung enthält u.a. folgende Angaben: „Folgende Prüfungen wurden durchgeführt: -Es sind Belege angekündigt. +Keine Abweichung bei Grundinformationen. +Der Erklärungseingang wurde gespeichert …”.
Der Bescheid zum 31.12.2012 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 S. 3 KStG enthält das Datum vom 29.04.2014. In ihm wurde erklärungsgemäß ein Endbestand zum Schluss des Wirtschaftsjahres in Höhe von 0 EUR festgestellt. Der Körperschaftsteuerbescheid 2012, der ebenfalls das Datum vom 29.04.2014 trägt, enthält in den Erläuterungen den Hinweis: „Bitte reichen Sie innerhalb von drei Wochen nach Erhalt dieses Bescheides den Beschluss über die Einzahlung in die Kapitalrücklage nebst Zahlungsnachweisen nach”.
Mit Schreiben vom 14.04.2016 beantragte die Klägerin die Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2012 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass im Veranlagungsjahr 2012 ein Betrag in Höhe von 445.000 EUR in die Kapitalrücklage eingezahlt und versehentlich nicht in das entsprechende Feld zum steuerlichen Einlagekonto in der elektronischen Steuererklärung übertragen worden sei. Das FA lehnte mit Schreiben vom 25.04.2016 den Änderungsantrag ab mit der Begründung, dass es sich nicht um eine nachträglich bekannt gewordene neue Tatsache i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO handle. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie begründete den Änderungsantrag nunmehr hilfsweise mit § 129 AO, da dem FA der Jahresabschluss zum 31.12.2012, aus dem die Höhe der Kapitalrücklage ersichtlich sei, vorgelegen habe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4. November 2016). Es stehe im Streitfall außer Zweifel, dass eine nicht in das Nennkapital geleistete Einlage (Zuführung in die Kapitalrücklage in Höhe von 445.000 EUR) zum Zeitpunkt des Zuflusses bei der Klägerin das Einlagekonto erhöhe. Durch eine un...