rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung bei von im Inland bezogenen Kindergeld bei Schulbesuch des Kindes im Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1. Sowohl aus dem Kindergeldmerkblatt 1998 als auch aus dem Merkblatt des Jahres 1999 lässt sich für einen Laien keine eindeutige Mitteilungspflicht für den Fall des mehrjährigen Schulbesuchs des Kindes im Ausland erkennen.
2. Gleiches gilt für den Fall, dass die Kindergeldberechtigte „ins Ausland verzieht”, da sich hieraus eine Meldepflicht nur ergibt, wenn sie den Wohnsitz im Inland aufgibt.
3. Ohne weitere Ermittlungen der Familienkasse kann insbesondere bei Sprachschwierigkeiten der Kindergeldberechtigten nicht davon ausgegangen werden, dass diese durch die weitere Entgegennahme des Kindergeldes eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 3; AO §§ 169, 370, 378
Tenor
1. Der Bescheid vom 13. Juli 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 23. April 2012 werden für den Kindergeldzeitraum September 2003 bis Dezember 2006 in Höhe von 6.160 EUR aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 51%, die Beklagte zu 49%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für ihren Sohn …, geboren am 28. Oktober 1996, für den Zeitraum September 2003 bis Juni 2010 und die Rückforderung von Kindergeld in Höhe von 13.028 EUR.
Die Familienkasse (Beklagte) hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 13. Juli 2011 auf und begründete dies mit dem Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen ab September 2003. Im Zuge von Ermittlungen war der Beklagten zunächst bekannt geworden, dass sich die Klägerin im Juli 2007 von München mit unbekanntem Ziel abgemeldet hatte. Über den Kindsvater war ihr dann mitgeteilt worden, dass sich die Klägerin und das Kind bereits im September 2003 in die Türkei begeben hätten, da das Kind dort die Schule besuche. Zeitpunkt der Abreise und Aufenthaltsort der Klägerin und des Kindes sind unstreitig. Bereits in der Anhörung vor dem Erlass des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids hatte die Klägerin vorgetragen, das Kind sei nach wie vor in Deutschland gemeldet und halte sich auch regelmäßig im Inland auf. Dieser Vortrag wurde im Einspruchsverfahren aufrecht erhalten, und es wurde hierzu je eine Bescheinigung des Bezirkspolizeipräsidiums Narlidere mit Ein- und Ausreisedaten der Klägerin bzw. des Kindes über türkische Flughäfen für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2010 vorgelegt. Ferner wurde der Einwand der Festsetzungsverjährung erhoben. Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23. April 2012 als unbegründet zurück. Das Kind könne nach § 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht berücksichtigt werden, da es seinen inländischen Wohnsitz mit dem Beginn der Schulausbildung im September 2003 aufgegeben habe. Zudem sei die Klägerin auch nicht kindergeldberechtigt, da sie selbst nicht über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfüge. Die Aufhebung ab September 2003 sei zulässig, da die Klägerin der Beklagten nicht mitgeteilt habe, dass sie und ihr Kind in die Türkei zurückgekehrt seien. Deshalb liege Steuerhinterziehung vor, und die Festsetzungsfrist verlängere sich auf zehn Jahre.
Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, es sei zumindest bis Dezember 2006 Festsetzungsverjährung eingetreten. Ihr Sohn besuche in der Türkei eine deutsch-türkische Schule, wohne jedoch noch in der Wohnung seines Vaters in München und sei dort auch gemeldet. Er halte sich dort regelmäßig auf und habe dort viele Freunde und seinen Lebensmittelpunkt. Steuerhinterziehung liege nicht vor, da die Klägerin nur eingeschränkt der deutschen Sprache mächtig sei. Die Klägerin und ihr Kind hätten sich während der türkischen Schulferien (3,5 Monate Sommerferien, 2 Wochen Winterferien) bis 2007 jeweils in der Wohnung der Klägerin und danach in der Wohnung des Kindsvaters in München aufgehalten. Eine entsprechende Unterkunft habe der Kindsvater dort vorgehalten; der Mietvertrag und Fotos würden nach gereicht. Die Klägerin und ihr Ehemann seien stets davon ausgegangen, dass sie Anspruch auf Kindergeld hätten, zumal der Ehemann der Klägerin stets seinen Wohnsitz im Inland gehabt habe und sich der Sohn nur zur Ausbildung in der Türkei aufhalte und nach deren Beendigung wieder zurückkehren wolle. Wenn schon strittig sei, ob der Sohn seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei oder im Inland habe, könne nicht von vorsätzlicher Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung ausgegangen werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 13. Juli 2011 und die Einspruchsentscheidung vom ...