Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressierung einer Prüfungsanordnung. Ablaufhemmung aufgrund wirksamer Prüfungsanordnung bzw. Treu und Glauben
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Prüfungsanordnung ist an denjenigen als Inhaltsadressaten zu richten, der die Prüfung zu dulden verpflichtet ist. Das ist der Steuerschuldner.
2. Die Bezeichnung des Inhaltsadressaten ist nicht eindeutig falsch, sondern mehrdeutig und damit auslegungsfähig, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, wer tatsächlich gemeint sein könnte. Solche Anhaltspunkte waren im Streitfall die Bezeichnung der Inhaltsadressatin als Rechtsnachfolgerin der Klägerin, obwohl tatsächlich keine Rechtsnachfolge eingetreten war, sowie der Umstand, dass die steuerlichen Vertreter und die Geschäftsführer der Klägerin an der Außenprüfung mitgewirkt haben und offenbar selbst davon ausgingen, dass die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin geprüft werden sollten.
3. Die Berufung der Klägerin auf eine Nichtigkeit der Prüfungsanordnung ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn sie im Vorfeld und während der gesamten Prüfung und der Schlussbesprechung bis zum Einspruchsverfahren fast vier Jahre nach Ergehen der Prüfungsanordnung deren Adressierung nicht beanstandet hat und der Adressierungsmangel auch durch den Klägervertreter aufrechterhalten wurde.
Normenkette
AO § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 4, § 169 Abs. 2 S. 2, § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 196; BGB § 133
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob bei Erlass der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Die Klägerin (G GmbH) betrieb in den Streitjahren eine Klinik und führte im Rahmen dessen umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Umsätze zum Regel- bzw. ermäßigten Steuersatz aus.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2007 wurde durch Vertrag vom 22. August 2007 das gesamte Vermögen der Klägerin auf die M GmbH & Co. KG ausgegliedert. Der fortbestehenden Klägerin wurde dafür eine Kommanditbeteiligung an der M GmbH & Co. KG gewährt.
Während der steuerliche Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 noch mitteilte, dass in 2007 von der Klägerin keine Umsätze mehr getätigt worden seien, reichte er nach Telefonat mit dem Beklagten (Finanzamt –FA–) am 13. Februar 2009 eine geänderte Umsatzsteuererklärung für 2007 ein, da beide übereinstimmend davon ausgingen, dass die Ausgliederung für die Umsatzsteuer nicht rückwirkend wirke.
In ihren Umsatzsteuererklärungen (für 2004 eingereicht am 14. Februar 2006; für 2005 eingereicht am 30. April 2007; für 2006 eingereicht am 31. Oktober 2008; für 2007 eingereicht am 13. Februar 2009 – jeweils nach vorangegangener Schätzung) berechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuern für 2004 i.H.v. 153.834,13 EUR, für 2005 i.H.v. 228.506,63 EUR, für 2006 i.H.v. 185.328,87 EUR und für 2007 i.H.v. 109.033,74 EUR, die erklärungsgemäß festgesetzt wurden.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2009 informierte das FA im Vorfeld einer geplanten Umsatz-steuerprüfung bei der M GmbH & Co. KG darüber, dass es davon ausgehe, dass diese als Rechtsnachfolger bzw. Organträger der Klägerin anzusehen sei.
Am 4. Dezember 2009 erließ das FA dann eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2003 bis 2006 gegenüber der Firma M GmbH & Co. KG als „Rechtsnachfolgerin” der Klägerin.
Im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens hiergegen (wegen zu kurzer Frist vor Prüfungsbeginn) erklärte der damalige steuerliche Vertreter, dass seine Mandantin eine Gesellschaft im Verbund der „D-Gruppe” sei und er davon ausgehe, dass es sich um eine einheitliche Prüfung bei allen Gesellschaften und Einzelpersonen der „D-Gruppe” handele. Dabei nahm er zur Bezeichnung seiner Mandantin ausdrücklich Bezug auf die vom FA verwendete Adressatenbezeichnung.
Zur Erledigung dieses Rechtsbehelfsverfahrens erließ das FA am 16. August 2010 eine geänderte Prüfungsanordnung für die Streitjahre 2004 bis 2007 u.a. bezüglich Umsatzsteuer. Inhaltsadressat dieser Prüfungsanordnung war wiederum die „Firma M GmbH & Co. KG als Rechtsnachfolgerin der G GmbH”. Empfangsbevollmächtigter war die damalige steuerliche Vertretung der Klägerin. Nach Durchführung der Außenprüfung (mit Unterbrechungen) vom 17. Dezember 2009 bis 2. Juli 2013 fand am 2. Juli 2013 die Schlussbesprechung unter Teilnahme der damaligen steuerlichen Vertretung sowie der Geschäftsführer der Klägerin statt. Hinsichtlich aller Prüfungsfeststellungen wurde Einvernehmen erreicht.
Im Rahmen der Prüfung wurden vom Prüfer u.a. Fragen/vorläufige Feststellungen übermittelt, die als zur „Betriebsprüfung bei G GmbH” gehörend gekennzeichnet waren bzw. ausdrücklich Bezug auf eine Prüfung bei der Klägerin nahmen. Auch Antworten der Mitarbeiter des steuerlichen Beraters mit Bezug zur Steuernummer der Klägerin und ABNr. der streitgegenständlichen Prüfung wurden mit Bezug auf die Klägerin gegeben. Die vorläufigen Prüfungsfeststellungen wurden vo...