rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbare unternehmerische Tätigkeit des Geschäftsführers für die GmbH. Voraussetzungen der Inanspruchnahme der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmeregelung im Erstjahr der unternehmerischen Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Geschäftsführungsleistungen eines GmbH-Geschäftsführers können als unternehmerisch im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen sein. Die Steuerbarkeit der Leistung hängt davon ab, dass der Geschäftsführer im Rahmen eines Leistungsaustauschs als Unternehmer, also selbständig, handelt und dass das Entgelt für seine Leistung in einem gewinnunabhängigen Sonderentgelt besteht. Umsatzsteuerrechtlich kann der Geschäftsführer innerhalb eines Jahres sowohl teilweise selbständig als auch teilweise unselbständig tätig sein.
2. Für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG ist im Jahr der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen; insoweit ist die im Streitjahr geltende Grenze des § 19 Abs. 1 UStG (im Streitjahr 2016: 17.500 EUR) maßgebend und der Grenzwert des § 19 Abs. 1 UStG für das Folgejahr (im Streitjahr 2016: 50.000 EUR) spielt keine Rolle.
3. Der relevante Jahresumsatz für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG ist im „Erstjahr” der unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich auf Basis der vom Unternehmer prognostizierten Zahlen zum Zeitpunkt der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit festzustellen. Bestand zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH bei Beginn der unternehmerischen Tätigkeit die Vereinbarung einer zunächst unentgeltlichen Tätigkeit des Geschäftsführers, konnte der Geschäftsführer zu diesem Zeitpunkt von einer Unterschreitung der Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 UStG ausgehen und die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Das gilt auch dann, wenn später nachträglich und rückwirkend eine die Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 UStG überschreitende Vergütung vereinbart worden ist.
Normenkette
UStG 2016 § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Sätze 1-2
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2016 vom 21. August 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2022 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger aufgrund einer unternehmerischen Tätigkeit die Umsatzsteuer aus einer von ihm am 16. September 2016 erstellten Rechnung über seine Tätigkeit als Geschäftsführer über einen Betrag von 40.000 EUR schuldet.
Der Kläger war seit dem 17. Dezember 2014 Gesellschafter einer Firma GmbH (im Folgenden: GmbH); die Gesellschaft war unter der Nummer HRB in das Handelsregister des Amtsgerichts eingetragen. Laut dem Handelsregisterauszug war der Kläger seit dem 15. Dezember 2015 neben einem E Geschäftsführer dieser GmbH.
Ein zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossener Dienstvertrag vom 8. September 2016 über die Anstellung des Klägers als Geschäftsführer trat erst mit Wirkung vom 1. Juli 2016 in Kraft (§ 11 Nr. 1 des Vertrags). Ausweislich der Vorbemerkungen dieses Dienstvertrags hatte der Kläger seine Geschäftsführertätigkeit bis zum 1. Juli 2016 unentgeltlich ausgeführt.
Im Folgenden hatte der Kläger dann aber für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der GmbH für den Zeitraum vom Februar 2016 bis Juni 2016 der Gesellschaft eine Rechnung über diesen Leistungszeitraum für die von ihm erbrachte Leistung mit Datum vom 16. September 2016 ausgestellt (Bezeichnung: Rechnungsnummer 2016/01), welche von der GmbH auch bezahlt wurde. Für diese Monate wurde in der Rechnung eine Vergütung von 40.000 EUR für die Tätigkeit als Geschäftsführer ausgewiesen. Mit Gesellschafterbeschluss der GmbH wurde im September 2016 beschlossen, dem Kläger eine einmalige „Entschädigung” für seine Tätigkeiten zwischen Februar und Juni 2016 auszubezahlen.
Der Beklagte (das Finanzamt; im Folgenden: FA) erlangte nachfolgend Kenntnis von dieser Rechnung und erachtete den Vorgang als umsatzsteuerpflichtig. Da noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war, erfolgte eine Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2016, wobei die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) mangels Abgabe einer Steuererklärung geschätzt wurden. Dem Umsatzsteuerbescheid für 2016 vom 21. August 2020 wurden Umsätze zum Regelsteuersatz von 40.000 EUR zugrunde gelegt, woraus sich eine Umsatzsteuer von 7.600 EUR ergab; dabei wurden Vorsteuerbeträge mit 0 EUR angesetzt. Zudem wurde ein Verspätungszuschlag in Höhe von 760 EUR angesetzt.
Dagegen war der Einspruch vom 24. August 2020 gerichtet.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17. August 2022 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2016 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung auf 6.386,47 EUR hera...