Entscheidungsstichwort (Thema)
Mieterhöhung infolge behindertengerechter (Um-)Baumaßnahmen als außergewöhnliche Belastung. verdeckte Gewinnausschüttung durch unentgeltliche Wohnungsüberlassung an den beherrschenden GmbH-Gesellschafter
Leitsatz (redaktionell)
1. Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Sie sind weder durch den Grund- oder Kinderfreibetrag noch durch den Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag abgegolten.
2. Dies gilt in gleicher Weise auch für die durch einen behindertengerechten Umbau ausgelöste Erhöhung der jährlichen Miete.
3. Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung durch eine GmbH an ihren beherrschenden Gesellschafter stellt eine mit der Kostenmiete zu bewertende verdeckte Gewinnausschüttung dar.
4. Einer „Fiktionstheorie”, nach der die Kostenmiete, soweit sie auf einen behinderungsbedingten Mehrbedarf entfällt, zu außergewöhnlichen Belastungen führt, folgte der Senat im Streitfall nicht.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1, § 33 Abs. 1, 2 S. 1, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom 26. Februar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 wird dahingehend abgeändert, dass der Steuerfestsetzung im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. 6.884 EUR anstatt i.H.v. 7.000 EUR zugrunde gelegt wird und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 26. Februar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2018 wird dahingehend abgeändert, dass der Steuerfestsetzung im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb eine verdeckte Gewinnausschüttung nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i.H.v. 6.945 EUR anstatt i.H.v. 7.000 EUR zugrunde gelegt wird und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer 2013 und 2014 wird dem Beklagten übertragen. Der Beklagte teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung sind die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die einkommensteuerrechtliche Anerkennung einer Mieterhöhung infolge behindertengerechter (Um-)Baumaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie über das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ihr gemeinsamer Sohn M, geboren am 23. November 2003, leidet seit seiner Geburt an einer spinalen Muskelatrophie und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Ausweislich eines Bescheids des Versorgungsamts der Region xxx om 22. Februar 2008 erfüllt er die Merkzeichen G, aG, B und H. Der Grad der Behinderung beträgt 100. Die Kläger haben mit dem Sohn S, geboren am 5. Mai 2012, und mit der Tochter Me., geboren am 29. August 2013, zwei weitere Kinder. Der Kläger ist Geschäftsführer der t-GmbH mit Sitz in xxx im Folgenden: t-GmbH) und zu 94 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Der Kläger unterhält zudem einen Gewerbebetrieb, in dessen Betriebsvermögen er seine Beteiligung an der t-GmbH hält.
Die Kläger wohnen seit dem Jahr 1998 in der L-Straße 4 in xxx. Das Grundstück steht im Eigentum der t-GmbH und war ursprünglich mit zwei freistehenden Häusern bebaut: einem Wohnhaus mit sechs Zimmern, Küche und Bad zu 151,39 qm (L-Straße 4; sog. „Haus E”) und einem als Büro mit einer Einliegerwohnung von zwei Zimmern, Küche und Bad nutzbaren Haus zu 161,11 qm (L-Straße 4 ½; sog. „Haus R”). Mit Mietvertrag vom 1. Oktober 1998 vermietete die t-GmbH das Wohnhaus in der L-Straße 4 (Haus E) als in § 1 der Vereinbarung (Mieträume) geregelten Mietgegenstand an den Kläger. Nach § 4 Abs. 1 der Vereinbarung (Miete und Nebenkosten) betrug die Miete für die vermieteten Räume 2.000 DM inklusive Nebenkosten wie Grundsteuer, Müllabfuhr, Strom, Wasser und Abwasser. Nach § 15 Abs. 2 der Vereinbarung bedürfen Änderungen oder Ergänzungen des Mietvertrags der Schriftform.
Im Jahr 2009 ließ die t-GmbH auf eigene Kosten einen barrierefreien Verbindungsbau mit ca. 70 qm zwischen den beiden Häusern (Haus E und Haus R) erstellen, in dem – abgestimmt auf die Behinderung von M – ein behindertengerechtes Pflegebad mit Dusche, Badewanne, Waschbecken und Toilette zu 34,92 qm eingebaut ist. In dem Pflegebad befindet sich auch eine Sauna zu 6 qm. Der Verbindungsbau ist nicht unterkellert, hat ein Flachdach und besteht nur aus einem Erdgeschoss. Die Baukosten betrugen insgesamt 297.511,17 EUR und entfielen auf die Errichtung des Verbindungsbaus, die daf...