rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobes Verschulden nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 bei nachträglicher Erklärung von Vorbezugskosten nach § 10e EStG
Leitsatz (redaktionell)
Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977: Versäumt es ein Steuerpflichtiger in der Einkommensteuererklärung irrtümlich, die Vorbezugskosten i.S. des § 10e Abs. 6 EStG für ein eigengenutztes Objekt geltend zu machen, handelt er nicht grob schuldhaft, wenn ihm das FA trotz Kenntnis des Wohnungserwerbs (Veräußerungsanzeige, Kontrollmitteilung, Aktenvermerk wegen § 10e EStG) keine Anlage FW zugesandt hat. Denn die in den ESt-Erklärungsvordrucken und den entsprechenden Anleitungen enthaltenen Hinweise auf die Existenz einer Anlage FW geben für sich keinen ausreichenden Sinnzusammenhang für die Möglichkeit einer steuerwirksamen Berücksichtigung der Vorbezugskosten.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 10e Abs. 6
Tatbestand
Streitig ist, ob die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 1994 und 1995 wegen neuer Tatsachen zugunsten der Klägerin (Klin) geändert werden können.
Die Klein, die als Personalassistentin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, erwarb mit notariellem Vertrag vom 28.11.1994 eine Doppelhaushälfte in ... ..., die sie ab 1.3.1995 selbst bewohnte. Den Kaufpreis der Wohnung von 700.000 DM hatte sie durch eine Schenkung ihrer Eltern in Höhe von 600.000 DM sowie durch ein Darlehen über 100.000 DM finanziert. Der Erwerb der Immobilie und deren Finanzierung waren dem Beklagten (dem Finanzamt -FA-) durch eine Veräußerungsanzeige sowie durch eine Kontrollmitteilung und Ermittlungen bekannt geworden. In den von der Klin selbst gefertigten Einkommensteuererklärungen für 1994 und 1995 war der Immobilienerwerb nicht berücksichtigt. Das FA veranlagte die Klin im wesentlichen entsprechend ihren Erklärungen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Einkommensteuerbescheide 1994 vom 27.11.1995 und 1995 vom 14.10.1996 wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 25.9.1997 bestellte sich der Prozeßbevollmächtigte und beantragte, die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide abzuändern. Hierzu machte er geltend, die Klin sei steuerlich nicht vertreten gewesen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, daß man für eine eigengenutzte Immobilie steuerlich gefördert werde. Eine Anlage FW. aus der dies ersichtlich gewesen wäre, sei der Klin bei der Zusendung von Erklärungsunterlagen durch das FA nicht übersandt worden. Damit liege ohne grobes Verschulden der Klin eine neue Tatsache nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) vor. Dem Schreiben lagen Anlagen FW für 1994 und 1995 bei. Hierin machte die Klin für 1994 und 1995 Vorbezugskosten gemäß § 10 e Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 984 DM (1994) und 7.886 DM (1995) geltend. Zusätzlich wurde für 1995 ein Abzugsbetrag nach § 10 o Abs. 1 EStG in Höhe von 9.000 DM geltend gemacht.
Das FA lehnte die beantragten Änderungen ab, da zum einen keine neue Tatsache i. S. des § 173 AO vorliege und zum anderen die Klin ein grobes Verschulden treffe.
Der Einspruch der Klin gegen die Ablehnung der Änderung blieb erfolglos. Auf die Einspruchsentscheidung vom 12.12.1997 wird Bezug genommen. Das FA ging nun ebenfalls von der Neuheit der Tatsache des Anfalls von Vorbezugskosten aus, lehnte die Änderung auch insoweit nach wie vor wegen Verschuldens der Klin ab.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klin nur noch gegen die Ablehnung der Änderung der Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995 bezüglich der geltend gemachten Vorbezugskosten gemäß § 10 e Abs. 6 EStG. Ihrer Ansicht nach liegen insoweit eindeutig neue Tatsachen vor. Dem FA sei nicht bekannt gewesen, daß Renovierungsarbeiten durchgeführt worden seien, die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb des Objektes stünden. Die zum Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärungen 1994 und 1995 steuerlich nicht vertretene Klin treffe auch kein grobes Verschulden daran, daß die streitigen Aufwendungen nicht geltend gemacht wurden. Ein Rückschluß auf steuerliche Kenntnisse der Klin aus ihrem Beruf und ihrem Einkommen sei nicht nachvollziehbar. Die Klin habe wie jedes Jahr die ihr zugesandten Formulare ausgefüllt und an das FA zurückgeschickt. Ein grobes Verschulden könne ihr daher nicht vorgeworfen werden. Hierzu werde auch noch auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 9.4.1991 (Az. 13 K 5413/89, EFG 1991, 639) hingewiesen, aus dem sich ergebe, daß bei unklarer Gestaltung des Einkommensteuererklärungsvordruckes kein grobes Verschulden seitens des Steuerpflichtigen angenommen werden könne.
Die Klin beantragt,
das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 1994 vom 27.11.1995 und 1995 vom 14.10.1996 dahingehend abzuändern, daß für 1994 984 DM und für 1995 7.886 DM als Vorbezugskosten gemäß § 10 e Abs. 6 EStG berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend wird auf Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28.06.2000 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kla...