Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Umspann- und Leitungsverlusten und der Begriff des Versorgungsnetzes im Stromsteuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus der Systematik des StromStG folgt, dass sich das Versorgungsnetz i. S. d. § 5 StromStG nicht auf das öffentliche Versorgungsnetz beschränkt oder je nach der Beschaffenheit der jeweiligen Betriebsstätte auszulegen ist. Dem Versorgungsnetz müssen sämtliche Leitungen und Umspannvorrichtungen in allen Niederlassungen des Versorgers zugerechnet werden. Betriebsstätten, an denen ein Versorger Strom nur zum Selbstverbrauch entnimmt, sind daher nicht vom Versorgungsnetz auszunehmen.
2. Aus der weiten Ausdehnung des Begriffs des Versorgungsnetzes, welches bis zum Letztverbraucher oder bis zur Eigenverbrauchstelle des Versorgers reicht, folgt, dass bei nicht zu vermeidenden Umspann- und Leitungsverlusten keine Stromsteuer entsteht.
3. Im Stromsteuerrecht ist klar zwischen Versorger und Letztverbraucher zu unterscheiden. Grundsätzlich kann ein Versorger nicht zugleich Letztverbraucher sein.
4. Der Begriff des Versorgers knüpft an eine rechts- und geschäftsfähige natürliche oder juristische Person und nicht an eine Betriebsstätte an.
Normenkette
StromStG § 5 Abs. 1 S. 1, § 4; AO § 12; EnWG § 2 Abs. 3, § 3 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Stromsteuer für das Kalenderjahr 2007 wird unter Änderung des Steuerbescheids vom 23. Dezember 2010 und der Steueränderungsbescheide vom 6. März 2012, 15. Oktober 2012 und 29. August 2013 und der Einspruchsentscheidung vom selben Tag um … EUR herabgesetzt.
2. Das HZA trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob bzw. welche Umspann- und Leitungsverluste zugunsten der Klägerin steuermindernd anzuerkennen sind.
Die Klägerin ist ein mit mehreren Niederlassungen in Deutschland ansässiges Wirtschaftsunternehmen mit Stromerzeugungseinheiten sowie produzierenden Betrieben, Laboren und Büros. An ihren Standorten entstehen Verluste sowohl in Folge der Umspannung des Stroms (Umspannungs- bzw. Trafoverluste) als auch in Form von Kabel- bzw. Leitungsverlusten.
In stromsteuerrechtlicher Hinsicht verfügt die Klägerin über eine Erlaubnis zur Leistung von Strom an Letztverbraucher gem. § 4 des Stromsteuergesetzes in der hier maßgeblichen Fassung (StromStG). Sie ist außerdem ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes.
Unter dem 16. Mai 2008 gab die Klägerin für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2007 beim Hauptzollamt (HZA) eine Steueranmeldung ab, in der sie eine Steuer i. H. v. … EUR errechnete. Dabei brachte die Klägerin Umspann- und Leitungsverluste von insgesamt … MWh in Abzug. Mit Stromsteuerbescheid vom 23. Mai 2008 setzte das HZA die Stromsteuer für das Kalenderjahr 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung abweichend von der Steueranmeldung auf … EUR fest.
Mit Bescheid vom 2. Juni 2008 nahm das HZA den Bescheid vom 23. Mai 2008 wieder zurück und erließ am selben Tag einen Stromsteuerbescheid, mit dem es die Stromsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung in der Höhe der Steueranmeldung (… EUR) festsetzte.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 reichte die Klägerin eine berichtigte Stromsteueranmeldung für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2007 ein und errechnete eine Stromsteuer i. H. v. … EUR. Daraufhin setzte das HZA mit Stromsteuerbescheid vom 22. Januar 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung für das Kalenderjahr 2007 Stromsteuer i. H. v. … EUR fest.
Im Rahmen einer Außenprüfung betreffend u. a. die stromsteuerrechtlichen Belange im Kalenderjahr 2007 prüfte das HZA auch die von der Klägerin in Abzug gebrachten Umspann- und Leitungsverluste und errechnete für die vier Distrikte A, B, C und D unter anderem Umspannverluste i. H. v. rund 4 % (vgl. Tz. 3.4 und Anlage 1, Seite 5 des Prüfungsberichts vom 12. Januar 2010).
Daraufhin erließ das HZA unter dem 23. Dezember 2010 einen weiteren Stromsteuerbescheid (einschließlich Anlage „Neuberechnung der zu versteuernden Strombezüge”), mit dem es die für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2007 „entstandene Stromsteuer in Höhe von … EUR fest(setzte)”. Dieser Betrag errechnete sich aus einer hier nicht streitigen Erstattung und zwei so bezeichneten Nacherhebungen, unter anderem i. H. v. … EUR wegen der Nichtanerkennung von Umspann- und Leitungsverlusten (für … MWh zum ermäßigten Steuersatz von 12,30 EUR/MWh). Dies begründete das HZA damit, dass die üblichen Leitungsverluste um die 2 % lägen. Darüber hinausgehende Leitungsverluste könnten nur bei Vorlage entsprechender Gutachten oder bei Ermittlung durch Zähleraufzeichnungen anerkannt werden. Weiterhin hob das HZA den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Dagegen legte die Klägerin mi...