Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten eines Finanzdienstleistungsinstituts gegenüber der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen
Leitsatz (redaktionell)
1. Konkretisiert und damit rückstellungsfähig ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt ist.
2. Sonderbeitragsverpflichtungen sowie die Verpflichtung zur Leistung von Sonderzahlungen an die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) sind öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die erst durch den Erlass eines Beitragsbescheids (Verwaltungsakt) rechtlich entstehen und sich konkretisieren.
3. Eine Rückstellungsbildung zum 31.12. eines Jahres für zukünftige Festsetzungen von Sonderzahlungen an die EdW ist ausgeschlossen, wenn für deren Erhebung auch die finanzielle Entwicklung der EdW im Zeitraum von 1.1. bis 30.9. des Folgejahres maßgeblich ist.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; EAEG § 8
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bildung von Rückstellungen für Verpflichtungen gegenüber der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW).
Die Klägerin ist eine GmbH. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Vermögensberatung und -verwaltung. Sie ist ein Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1a Kreditwesengesetz (KWG). Ihr Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. Für die Streitjahre wurde den Steuererklärungen ein Jahresüberschuss von … EUR (2008), … EUR (2010) bzw. … EUR (2011) zu Grunde gelegt.
In den Bilanzen für die Streitjahre waren sonstige Rückstellungen (Konto 970) in Höhe von … EUR (2008), … EUR (2010) und … EUR (2011) eingestellt. Darin war nach den Ausführungen in den Anhängen zu den Jahresabschlüssen sowie den Lageberichten für die Geschäftsjahre eine Rückstellung für den „Entschädigungsfall P” enthalten.
Im März 2005 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die P … GmbH „P”) den Entschädigungsfall festgestellt und damit die Voraussetzungen für die Entschädigung der P-Anleger nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) geschaffen. Zuständig für die Durchführung des Entschädigungsverfahrens ist die EdW, deren Pflichtmitglied die Klägerin ist. Die EdW wurde bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) errichtet und ist ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen des Bundes (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EAEG). Die Mittel für die Durchführung von Entschädigungen durch die EdW werden durch Beiträge der Mitglieder erbracht (§ 8 EAEG). Mit dem Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze (EAEGuaÄndG) vom 25.6.2009 (BGBl I 2009, 1528) wurden insbesondere die Regelungen zur Finanzierung der Entschädigungseinrichtungen nach dem EAEG geändert und konkretisiert. Dabei wurde u.a. die Erhebung von Sonderbeiträgen und Sonderzahlungen näher geregelt (§ 8 Abs. 3 bis 7 EAEG i.d.F.d. des EAEGuaÄndG).
Nach der Feststellung des Entschädigungsfalls rechnete die Klägerin damit, dass neben den Jahresbeiträgen weitere Zahlungen von den Mitgliedern der EdW zur Erledigung des Schadensfalles „P” eingefordert werden. Sie bildete deshalb bereits ab 2005 Rückstellungen, in den Jahren 2006 und 2007 eine Rückstellung i.H.v. … EUR. Dieser Betrag wurde aufgrund einer früheren Betriebsprüfung in der Prüferbilanz 2007 auf … EUR reduziert. Im Dezember 2007 war mit Bescheid ein Sonderbeitrag von … EUR durch die EdW festgesetzt worden, der jedoch von der Klägerin mit Einspruch angegriffen wurde. Die Rückstellung für den Entschädigungsfall „P” blieb in den Jahren 2008 und 2009 unverändert bei … EUR.
Die EdW nahm in den Jahren 2008 und 2011 zur Finanzierung der Entschädigungszahlungen Darlehen beim Bund auf. Da die EdW den Finanzbedarf (Tilgung, Zinsen) mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nicht decken konnte, erhob sie Sonderzahlungen. So wurde mit Bescheid vom 30. August 2010 gegenüber der Klägerin eine Sonderzahlung in Höhe von … EUR festgesetzt. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Da die Klägerin mit weiteren Nachforderungen und Sonderzahlungen rechnete, stockte sie lt. Lagebericht die Rückstellung für den Entschädigungsfall „P” zum 31.12.2010 zunächst von … EUR um … EUR auf … EUR auf. Nachdem am 30. August 2011 eine weitere Sonderzahlung in Höhe von … EUR durch die EdW erhoben worden war, wurde die Rückstellung für den Entschädigungsfall „P” zum 31.12.2011 auf … EUR erhöht. Daneben wurde eine zeitanteilige Rückstellung (1.10 bis 31.12.2011) für den im Folgejahr fälligen EdW-Jahresbeitrag 2012 angesetzt (… EUR). Auch in den Folgejahren wurden Sonderzahlungen erhoben. Im Jahr 2012 wurde mit Bescheid vom 17. August 2012 eine Sonderzahlung i.H.v. … EUR festgesetzt.
Die Festsetzungen der Körperschaftsteuern sowie der Gewerbesteuermessbeträge fü...