Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer aufgrund einer neuen gewerblichen Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Umsatzsteuer, aufgrund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist nicht als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter festzusetzen.
Normenkette
InsO § 55 Nr. 1; ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 5; UStG 1999 § 18 Abs. 4
Nachgehend
Tenor
1. Die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 jeweils vom 10. November 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 28. August 2006 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Schuldners entstandene Umsatzsteuerschuld eine Masseverbindlichkeit darstellt.
Der Kläger ist als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen von G (nachfolgend Schuldner) tätig.
Der Schuldner betrieb ein Fliesenfachgeschäft. Am 31. August 2001 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nach Zustimmung der Gläubiger genehmigte das Amtsgericht mit Beschluss vom 26. März 2002 einen Insolvenzplan (vgl. Bl. 8 f Gerichtsakten). Mit Wirkung zum 1. April 2002 wurde dem Schuldner nach Freigabe des Betriebes dessen selbständige Fortführung gegen eine monatliche Zahlung von 1.022,58 EUR ermöglicht (vgl. Bl. 11 ff Gerichtsakten). Gemäß Teil II A des Insolvenzplans sollte der so genannte Neuerwerb beim Schuldner verbleiben, er verpflichtete sich, die Masse von möglichen Verbindlichkeiten freizustellen. Unter Teil II B Nr. 5 wurde vereinbart, dass die alten nicht getilgten Forderungen wieder aufleben und der Plan als von Beginn an als unwirksam gelten sollte, wenn der Schuldner seinen Pflichten aus dem Plan nicht nachkommt. Eine Überwachung des Plans durch den Insolvenzverwalter nach Abschluss des Insolvenzverfahrens sollte nicht stattfinden (vgl. Teil II B Nr. 7).
Nachdem der Schuldner dem Kläger am 18. September 2003 mitgeteilt hatte, dass er die monatlichen Zahlungen nicht leisten könne, wurde am 28. Oktober 2003 das Scheitern des Insolvenzplans festgestellt. Unter der Bedingung, dass der Schuldner monatlich die nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) pfändbaren Beträge aus seinen steuerlichen Einkünften der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt, wurde der Betrieb am 30. Oktober 2003 erneut durch den Kläger freigegeben.
Auf Grundlage der für das Jahr 2002 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen setzte das Finanzamt (FA) die Umsatzsteuer für dieses Jahr im Schätzungswege mit an den Kläger gerichteten Bescheid vom 10. November 2004 auf 15.400 EUR fest. Nach Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung wurde die Umsatzsteuer 2003 ebenfalls mit Bescheid vom 10. November 2004 an den Kläger auf 10.952,55 EUR festgesetzt. Das FA vertrat die Ansicht dass die Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit vom Insolvenzverwalter zu tilgen sei.
Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 28. August 2006 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Umsatzsteuerschuld für die Streitjahre nicht zu den Masseverbindlichkeiten gehörten, vielmehr resultiere sie aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners. Die Umsatzsteuern seien zwar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Schuldners entstanden. Maßgeblich zu berücksichtigen sei jedoch, dass dieser Betrieb auf Grund des Insolvenzplans freigegeben worden sei und der Schuldner eine neue Tätigkeit aufgenommen habe. Aus dem Insolvenzplan ergebe sich u. a. die Verpflichtung, dass der Schuldner die Masse von möglichen Verbindlichkeiten frei stelle. Insgesamt habe der Schuldner im Rahmen dieser neuen Tätigkeit seine Verfügungsbefugnis wiedererlangt. Ein so genannter Neuerwerb i. S. d. § 35 der Insolvenzordnung (InsO) liege nicht vor. Auch nach dem Scheitern des Insolvenzplans könne die tatsächliche Führung des neuen Betriebs nach der erfolgten Freigabe nicht rückwirkend aufgehoben werden.
Darüber hinaus habe auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) klargestellt, dass die im Rahmen einer neuen Erwerbstätigkeit entstandene Umsatzsteuer keine Masseverbindlichkeit darstelle. Der Schuldner habe in seinem neuen Betrieb keine Gegenstände eingesetzt, die zur Insolvenzmasse gehören. Wesentliches Element seines Fliesenlegerhandwerks sei seine persönliche Arbeitsleistung gewesen. Von den im Jahr 2002 beschäftigten Gehilfen seien zwei Le...