rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der krankheitsbedingten Heimunterbringung eines Angehörigen als Voraussetzung für den Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG. Kosten der Lebensführung. Taschengeldzahlungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Nachweis der krankheits- und nicht altersbedingten Heimunterbringung eines unterstützten Angehörigen ist nicht von formalen Kriterien wie der Feststellung einer Pflegestufe nach § 14 SGB XI oder der Vorlage eines Behindertenausweises mit den Merkzeichen Bl oder H entsprechend § 65 Abs. 2 EStDV abhängig (Entgegen dem BMF-Schreiben v. 2.12.2002 IV C 4 – S 2284 – 108/02, BStBl I 2002, 270).
2. Aufwendungen für zwei- bis dreimal im Monat stattfindende Besuchsfahrten bei Zurücklegung einer Fahrstrecke von 140 km sind seitens des einzigen Kindes nicht als außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG anzusehen und daher nicht abziehbar.
3. Nach § 33 EStG sind nur die vom Heim in Rechnung gestellten Unterbringungskosten einschließlich eventueller Kosten für ärztliche Betreuung und Pflege abziehbar, nicht dagegen die vom Steuerpflichtigen gegebenenfalls getragenen Kosten der Lebensführung des Angehörigen. Diese Kosten sind ebenso wie Taschengeldzahlungen an den Angehörigen nur im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, § 33a Abs. 1; SGB XI §§ 14-15
Tenor
1. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 10. Mai 2001 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 wird die Einkommensteuer 1998 auf 2.677,12 EUR herabgesetzt. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 6. August 2001 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 wird die Einkommensteuer 1999 auf 8.262,48 EUR herabgesetzt. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 5. Juni 2002 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 wird die Einkommensteuer 2000 auf 7.497,58 EUR herabgesetzt. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 12. Mai 2003 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 wird die Einkommensteuer 2001 auf 481,64 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen zu 7/15 die Kläger und zu 8/15 der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Die ab 1999 mit dem Kläger verheiratete und zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Klägerin ist Verwaltungsangestellte. Sie ist das einzige Kind der am … 1911 geborenen Frau H, die seit 1. August 1992 im Alten- und Pflegeheim X lebt. Die Klägerin bzw. ab 1999 die Kläger machten in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre Kosten für die Unterbringung von Frau H im Altersheim in Höhe von 19.277,79 DM (1998), 19.257,18 DM (1999), 18.394,95 DM (2000) und 19.253,76 DM (2001) als außergewöhnliche Belastung geltend. Diese Kosten wurden dadurch ermittelt, dass die jährlichen Heimkosten zuzüglich der sonstigen Kosten von Frau H wie Versicherungen, Zeitungen, Telefon usw. zusammengezählt wurden. Außerdem wurde ein Taschengeld an Frau H in Höhe von 6.000 DM, Weihnachtszuwendungen an das Heimpersonal in Höhe von 750 DM bzw. 1.200 DM sowie Fahrtkosten für jährlich 31 bis 36 Fahrten der Klägerin zu Frau H mit dem Auto (einfache Entfernung 70 km) mit je 0,52 DM je Kilometer geltend gemacht. Von diesem jährlichen Gesamtbetrag an Kosten wurde die Rente von Frau H in Höhe von 20.344,38 DM (1998), 20.558,64 DM (1999), 20.763,18 DM (2000) und 21.059,31 DM (2001) in Abzug gebracht. Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt -FA-) erkannte diese Kosten insgesamt nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung an, da Frau H nicht in der Pflegeabteilung des Heims untergebracht sei und übernommene Kosten für die Unterbringung in einem Altenheim nur im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden könnten. Die eigenen Einkünfte und Bezüge von Frau H überstiegen aber die Höchstgrenze des § 33a Abs. 1 EStG. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, Frau H, die zwischenzeitlich 90 Jahre alt und zu 100 % gehbehindert sei, leide an Myasthenia gravis. Ein Antrag auf Pflegegeld sei bislang nicht gestellt worden, da Frau H bisher noch aus dem Rollstuhl heraus sich selbst versorgen könne. Sie sei jedoch auf die dauernde Versorgung durch das Heimpersonal angewiesen, von welchem sie die täglich notwendigen Medikamente, Augentropfen und Spritzen gegen Diabetes erhalte. Diese Leistungen seien vom Preis für das Heim mit umfasst. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003). Das FA berief sich dabei auf das Schreiben des BMF vom 2. Dezember 2002 IV C 4 – S 2284 – 108/02, Bundessteuerblatt -BStBl- I 270, wonach der Nachweis einer krankheits- oder behinderungsbedingten Heimunterbringung nur erbracht sei, wen...