Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Wohnsitz
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem im Streitzeitraum 22 bzw. 23 Jahre altem Kind mit US-Staatsangehörigkeit, das in den USA studiert, bereits den größten Teil der Zeit seit seiner Volljährigkeit in den USA lebte, eine Berufsqualifikation ausschließlich an einer US-Bildungseinrichtung anstrebt und auch ein Betriebspraktikum in den USA absolvierte, reicht ein zur Weihnachtszeit durchgeführter, gut 3-wöchiger Aufenthalt bei der Mutter in Deutschland während eines Zeitraums von 16 Monaten nicht aus, um einen (ggf. von mehreren) Lebensmittelpunkten in Deutschland beizubehalten.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 3; AO §§ 8-9
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Kind der Klägerin (Klin) seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte.
I.
Die Klin ist die Mutter des am 04. Januar 1981 geborenen Kindes M, das die US-Staatsangehörigkeit besitzt. Der Vater des M besitzt ebenfalls die US-Staatsangehörigkeit. In 2001 begann M in den USA ein Studium. Für das Sommersemester 2005 war M im Studiengang „Austauschprogramm/ohne Prüfung: …” an der TU München immatrikuliert.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 hob der Beklagte (die Familienkasse –FK–) die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum März 2001 bis Juli 2001 auf. Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 04. April 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2002 wurde die Gewährung von Kindergeld ab August 2001 abgelehnt. Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22. April 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2005 gewährte die FK ab Mai 2005 erneut Kindergeld. Aufgrund des hiergegen gerichteten Einspruchs gewährte die FK mit Änderungsbescheid vom 29. November 2005 auch für den Zeitraum September 2004 bis April 2005 Kindergeld. Mit Einspruchsentscheidung vom 02. Dezember 2005 wurde der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: M habe trotz seines Studiums in den USA seinen Wohnsitz in Deutschland beibehalten. Ihm habe ein Zimmer in der etwa 100-m² großen Wohnung in … zur Verfügung gestanden. Er habe sich –wie sich aus den vorgelegten Reisepasskopien, Flugtickets und Bestätigungen über Arztbesuche ergebe– regelmäßig im Inland aufgehalten. Außerdem habe M bestätigt, dass er sich während der Semesterferien bei der Klin aufhalte und beabsichtige, nach dem Studium nach Deutschland zurückzukehren.
Die Klin beantragt,
den Bescheid vom 14. Juni 2005 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29. November 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 02. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Kindergeld für die Zeit von Mai 2003 bis August 2004 zu gewähren.
Die FK beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass im Streitzeitraum weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt des M im Inland nachgewiesen sei.
Mit nach § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ergangener Aufklärungsanordnung vom 06. September 2006 wurden weitere Darlegungen und Nachweise zum behaupteten Inlandswohnsitz des M angefordert. Auf den Inhalt der Aufklärungsanordnung und das hierzu erfolgte Schreiben der Klägervertreterin vom 09. Oktober 2006 wird Bezug genommen.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18. Oktober 2006 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 FGO).
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist unbegründet.
Ein Kindergeldanspruch scheidet für den streitigen Zeitraum Mai 2003 bis August 2004 aus, da weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt des M im Inland zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen wurde.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden Kinder hinsichtlich des Kindergeldanspruchs nicht berücksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Die USA zählen nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten. Da der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Inland Tatbestandsvoraussetzung des Kindergeldanspruchs ist, geht die Nichtfeststellbarkeit nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294).
Der Begriff des Wohnsitzes im Sinne des § 8 Abgabenordnung (AO) setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit –wenn auch in größeren Zeitabständen– aufsucht. Ein nur gelegentliches Verw...