Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsirrtümliche Nichtgeltendmachung von gezahlten Vorsteuern als Werbungskosten keine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO 1977
Leitsatz (redaktionell)
Unterlässt es ein Steuerpflichtiger rechtsirrtümlich, die im Veranlagungszeitraum für ein teilweise gewerblich vermietetes Objekt gezahlten Vorsteuerbeträge außer in der Umsatzsteuererklärung auch bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend zu machen, kann die bestandskräftige Veranlagung nicht nach § 129 AO 1977 wegen offenbarer Unrichtigkeit berichtigt werden.
Normenkette
AO 1977 § 129; EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 9b; UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Gründe
I.
Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1993 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wurden.
Ausweislich der Angaben zur Erklärung für das Streitjahr 1993 haben die Kläger ein in der … 7 b in G (G) belegenes und in 1993 fertiggestelltes Objekt zum Teil gewerblich und zum Teil zu Wohnzwecken vermietet. Das aus diesem Objekt resultierende steuerliche Ergebnis für 1993 ermittelten die Kläger durch Gegenüberstellung der Bruttomieteinnahmen und laufenden Hausaufwendungen sowie insbesondere der die Herstellungskosten betreffenden Schuldzinsen sowie der Absetzung für Abnutzung gem. § 7 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG). Ausgehend von bis Ende 1993 insgesamt angefallenen Herstellungskosten i.H.v. 2.330.290 DM (netto) hatten die Kläger die Abschreibung (AfA) für die vermieteten Einheiten jeweils zeitanteilig in Ansatz gebracht (mit 22.221 DM). Aufgrund einer detaillierten Rechnungsaufstellung unter Angabe des jeweiligen Zahltages und gesonderter Aufzeichnung der jeweils enthaltenen Umsatzsteuer (USt) ergaben sich jedoch in 1993 angefallene Bruttoherstellungskosten von 2.621.122,45 DM mit einer darin enthaltenen USt von 337.324,43 DM (auf den gewerblichen Bereich entfallend: 276.504,83 DM). Außerdem fertigten die Kläger eine Zusammenstellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an. Wie aus verschiedenen Vermerken mit Bleistift und Kuli hervorgeht, überprüfte der zuständige Bearbeiter diese Unterlagen und heftete sie wie bereits die Aufstellung zu den Baukosten und zur USt 1992 in der Akte „Dauerunterlagen” ab.
Außerdem hatten die Kläger zur USt optiert und für 1993 eine Erklärung abgegeben, in der sie einen Überhang gezahlter Vorsteuer von 272.231,30 DM geltend machten. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) veranlagte mit Bescheid vom 15. Juni 1994 erklärungsgemäß.
Im Rahmen der ESt-Veranlagung hat das FA die AfA für das in Rede stehende Objekt mit den Jahresbeträgen (insgesamt 121.967 DM) der Einkunftsermittlung zugrunde gelegt. Im übrigen wurden die Angaben aus der von den Klägern selbst erstellten Steuererklärung (Eingang beim FA: 28. April 1995) unverändert übernommen und die ESt für 1993 mit Bescheid vom 22. November 1995 auf 0 DM festgesetzt. Der sich hieraus ergebende negative Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. ./. 53.616 DM wurde gem. § 10 d EStG auf das Jahr 1991 zurückgetragen. Damit ist zum 31. Dezember 1993 kein vortragsfähiger Verlustabzug verblieben. Entsprechend hat das FA am 21. Oktober 1995 einen negativen Verlustfeststellungsbescheid auf den 31. Dezember 1993 erlassen. Dieser Bescheid ist – ebenso wie der ESt-Bescheid für 1993 – bestandskräftig geworden.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1996 beantragte der neu bestellte steuerliche Vertreter der Kläger die Änderung des ESt-Bescheids 1993 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO). Zur Begründung wurde folgendes vorgetragen: Die Kläger hätten ihn im September 1996 beauftragt, hinsichtlich der Steuererklärung 1994 beratend tätig zu werden. Bei Durchsicht der Unterlagen habe sich sodann herausgestellt, daß Vorsteuerbeträge aus Baukosten 1993 für den Neubau in G zwar in der USt-Erklärung 1993 angegeben worden seien, ein Ansatz in der ESt-Erklärung als sonstige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung jedoch unterblieben sei.
Als „neu” i. S. des § 173 AO sei in diesem Zusammenhang die Tatsache zu sehen, daß die Kläger seit 1993 Bauherren des fraglichen Objekts seien, „da bisher in der ESt-Erklärung keinerlei Eintragungen vorzunehmen” gewesen seien. Den Klägern sei nicht bekannt gewesen, daß bei der USt abziehbare Vorsteuerbeträge auch bei der ESt im Bereich der Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden könnten. Grobes Verschulden bzw. grobe Fahrlässigkeit i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei für den vorliegenden Fall nicht anzunehmen.
Im Hinblick auf die Tatsache, daß die ESt für 1993 auf Null festgesetzt ist, teilte das FA dem steuerlichen Vertreter der Kläger mit Schreiben vom 14. März 1997 mit, daß sich ein Änderungsantrag allenfalls auf den negativen Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 1993 beziehen könne. Gleichzeitig erfolgte eine Stellungnahme zum Begriff der „neuen Tatsache”. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung sei für den zuständigen Bearbeiter die Bauherrengemeinschaft der Ehegatten bereits dur...