Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzinsung einer Darlehensverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Jedenfalls für das 2013 bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG mit seinem statisch-typisierenden Abzinsungssatz von 5,5 %.
2. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln und ist somit Ausdruck des Willkürverbots.
3. Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.
4. Das Gebot der Abzinsung von Verbindlichkeiten beruht auf der sachgerechten typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht. Der durch die Unverzinslichkeit hervorgerufene Minderaufwand wird kapitalisiert und als Ertrag vorweggenommen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Abänderung des ablehnenden Aussetzungsbeschlusses des Senats vom 12.10.2018.
In der Hauptsache ist zwischen den Beteiligten die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wegen der Höhe des Abzinsungssatzes streitig.
Die Antragstellerin ist eine mit Vertrag vom 03.12.2009 gegründete Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung und Vermarktung von eigenem und fremdem Immobilienvermögen ist. Die Antragstellerin ermittelte für das Streitjahr 2013 gem. § 4 Abs. 1 EStG einen Verlust in Höhe von 265 €. Unter den Verbindlichkeiten wies sie unter anderem ein ihr von ihrem Gesellschafter auf dem Gesellschafterverrechnungskonto gewährtes unverzinsliches Darlehen aus, welches sie mit einem Nennwert in Höhe von 91.357,67 € bewertete.
Der Antragsgegner berücksichtigte den Verlust in den Bescheiden über Körperschaftsteuer für 2013 vom 9.2.2015 und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 vom 19.2.2015 zunächst entsprechend den abgegebenen Steuererklärungen. Beide Bescheide ergingen gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin teilte auf Anfrage des Antragsgegners nach Ergehen der Bescheide mit, dass das auf dem Gesellschafterverrechnungskonto ausgewiesene Darlehen „bis auf weiteres” gewährt worden sei und die gesetzlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für dieses Darlehen gelten würden.
Daraufhin änderte der Antragsgegner die Bescheide über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 gem. § 164 Abs. 2 AO und berücksichtigte nunmehr einen Gewinn bzw. Gewerbeertrag in Höhe von 45.139 €. Die Erhöhung begründete er in den Erläuterungen zu den Änderungsbescheiden mit der erforderlichen Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit. Den gewinnerhöhenden Abzinsungsbetrag errechnete der Antragsgegner, indem er aus dem in § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) genannten Vervielfältiger von 9,3 für Nutzungs- oder Leistungsgewährungen von unbestimmter Laufzeit eine Restlaufzeit von 12 Jahren, 10 Monaten und 12 Tagen für das der Antragstellerin gewährte Darlehen ableitete. Aus dieser Laufzeit ermittelte er für die Abzinsung der unverzinslichen Darlehnsschuld einen Vervielfältiger von 0,503. Der Antragsgegner bewertete das unverzinsliche Darlehen mithin mit einem Wert von 45.952,91 €. Die Differenz i.H.v. 45.404,76 € berücksichtigte er in den Änderungsbescheiden als Zinsanteil jeweils gewinnerhöhend. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Antragsgegner in den Änderungsbescheiden auf.
Gegen diese Änderungsbescheide legte die Antragstellerin am 28.3.2018 bzw. am 16.4.2018 Einspruch ein. Mit ihrem Einspruch wandte sie sich gegen die Abzinsung des zinslos gewährten Darlehens und machte geltend, die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG sei wegen der seit Jahren andauernden Niedrigzinsphase verfassungswidrig. Sie verwies insoweit u.a. auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Az. X R 19/17 zu diesem Zeitpunkt noch anhängige Klageverfahren.
Zeitgleich mit der Einspruchseinlegung beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuer- und des Gewerbesteuermessbescheides für 2013; diesen Antrag lehnte der Antragsgegner am 9.4.2018 bzw. am 17.4.2018 mit der Begründung ab, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, da der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet sei, den konkreten Zinsvorteil oder Zinsnachteil für den Einzelfall zu ermitteln. Auch der BFH mache dies in seiner ständigen Rechtsprechung zu dem in § 238 AO normierten Zinssatz deutlich, ebenso wie neuere Beschlüsse des Finanzgerichts (FG) Münster und des FG Sachsen-Anhalt. Diese Entscheidungen zur Verfassungs...