Entscheidungsstichwort (Thema)
Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfe
Leitsatz (redaktionell)
1) Die sog. Corona-Soforthilfe ist als zweckgebundene Forderung nicht übertragbar und unterliegt damit dem Pfändungsverbot nach § 851 Abs. 1 ZPO.
2) Sofern der Vollstreckungsschuldner mit der Pfändung in die Corona-Soforthilfe schwerwiegende Nachteile glaubhaft machen kann (Anordnungsgrund), kann die Vollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung – gestützt auf einen Anspruch auf Vollstreckungsschutz gemäß § 258 AO (Anordnungsanspruch) – ausgesetzt und die Auszahlung der Corona-Soforthilfe angeordnet werden.
Normenkette
AO § 258; ZPO § 851 Abs. 1; FGO § 114
Nachgehend
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Beschränkung der von dem Antragsgegner ausgebrachten „Kontopfändung”.
Der Antragsteller betreibt einen Hausmeisterservice. Er unterhält ein Konto bei der Sparkasse … (im Folgenden: Sparkasse) mit der IBAN …. Das Konto wird als sog. P-Konto (Pfändungsschutzkonto nach § 850k der Zivilprozessordnung –ZPO–) geführt. Bezüglich des Kontos erließ der Antragsgegner unter dem 17.04.2019 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über eine Gesamtforderung in Höhe von 9.075,50 EUR wegen rückständiger Umsatzsteuer und Umsatzsteuer-Vorauszahlungen 2015 und rückständiger Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2015 erlassen, die der Sparkasse am 23.04.2019 zugestellt wurde. Mit der Drittschuldnererklärung vom 30.04.2019 erklärte die Sparkasse unter anderem, dass das Konto kein pfändbares Guthaben ausweise und vorrangige Pfändungen in Höhe von 823,47 EUR vorlägen.
Mit Bescheid (Billigkeitszuschuss) der Bezirksregierung … vom 06.04.2020 wurde dem Antragsteller gemäß § 53 Landeshaushaltsordnung (LHO) i.V.m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmer und Soloselbständige” eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,– EUR als einmalige Pauschale bewilligt. Diese werde überwiesen auf das Konto bei der Sparkasse mit der IBAN …. Bei der Soforthilfe handele es sich um eine Kleinbeihilfe gemäß der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch COVID-19 „Bundesregierung Kleinbeihilfen 2020”). In dem Bescheid wird weiter ausgeführt: „… 2. Zweckbindung: Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung. Die Soforthilfe dient insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Nicht umfasst sind vor dem 1. März 2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe. 3. Aufrechnungsverbot: Für die bewilligte Soforthilfe gilt ein direktes Verrechnungs- bzw. Aufrechnungsverbot mit bereits bestehenden Kreditlinien beim jeweiligen Kreditinstitut. Bei Überweisung der Soforthilfe darf es nicht zu einer zwangsläufigen Bedienung bereits bestehender Kontokorrentforderungen oder sonstiger Zins- und Tilgungsforderungen kommen. Etwas Anderes gilt nur, wenn bereitgestellte Finanzierungslinien ausdrücklich kurzfristig zur Vorfinanzierung der Soforthilfe erhöht wurden.
Die bewilligte Soforthilfe muss vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden. Ihnen als Empfänger/-in obliegt die Entscheidung, welche Forderungen mit höchster Relevanz für die Existenzsicherung ausgestattet sind (bspw. Mietforderungen, Lieferantenforderungen) und daher vorrangig durch den Zuschuss bedient werden sollen. II. Nebenbestimmungen: Die Soforthilfe wird unter folgenden Nebenbestimmungen gewährt: …. Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel auf das Konto der Landeskasse … zurückzuzahlen. … 4. Die Finanzhilfe ist zurückzuerstatten, wenn der Bescheid aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben erteilt wurde oder Entschädigungsleistungen, Versicherungsleistungen und/oder andere Fördermaßnahmen einzeln und/oder zusammen zu einer Überkompensation führen. …. 5. Ich behalte mir im Einzelfall eine Prüfung der Verwendung der Soforthilfe vor. In diesem Fall ist die Bewilligungsbehörde berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen anzufordern sowie die Verwendung der Soforthilfe durch örtliche Erhebungen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Sie haben die erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Ihr zuständiges Finanzam...