rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit von Chi-Quadrat-Tests und Zeitreihen-Vergleichen
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Verdacht unvollständiger, ggf. manipulierter Aufzeichnungen aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Kassenbuchführung kann durch einen sog. Chi-Quadrat-Test erhärtet werden.
2) Das Maß der Zuschätzungen kann durch einen Zeitreihen-Vergleich ermittelt werden.
Normenkette
AO 1977 § 162 Abs. 2 S. 2, §§ 158, 147 Abs. 1, 1 Nr. 4, § 162 Abs. 2
Tatbestand
Im noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahren betreffend die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 ist streitig, ob Zuschätzungen zum Umsatz und Gewinn auf Grund einer Betriebsprüfung zu Recht erfolgt sind.
Der Antragsteller (Ast.) betrieb in den Streitjahren an sechs bis neun verschiedenen Standorten einen Schnellimbiss sowie in M eine Metzgerei (Zerlegebetrieb). Das Unternehmen wies nach Bilanzen und Steuererklärungen folgende Betriebszahlen aus:
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1998 |
1999 |
2000 |
Umsatz |
2.409.905,00 |
2.022.479,00 |
1.670.205,00 |
Wareneinsatz |
849.008,00 |
722.219,00 |
587.351,00 |
Löhne und Gehälter |
596.597,50 |
531.949,91 |
375.507,18 |
Rohgewinnaufschlag erklärter Gewinn |
66.587,00 |
./.31.801,00 |
20.092,00 |
Metzgerei lt. Richtsatz |
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Durchschnitt |
85 |
85 |
85 |
Rohgewinnaufschlag |
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Imbissstätte Durchschnitt |
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lt. Richtsatz Sammlung |
156 |
163 |
163 |
Aufschlag lt. Kläger Verprobung |
183,85 |
180,04 |
184,36 |
Im September 2002 begann bei dem Ast. eine Betriebsprüfung, die mit Betriebsprüfungsbericht vom 20.02.2003, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, abgeschlossen wurde. Die Betriebsprüfung erklärte die Kassenführung nicht für ordnungsgemäß (Textziffer 2.1). Sie gewann auf Grund eines Chi-Quadrat-Testes die Überzeugung, dass die aufgezeichneten Tageseinnahmen nicht die tatsächlichen Einnahmen widerspiegeln konnten (Anlagen 1a bis 1b). Eine Nachkalkulation des für den Betrieb der Imbissstände erforderlichen Personals mit dem Lohnaufwand des Ast. führte zu der Überzeugung, dass über 30 % zu viel Personal eingesetzt war (Anlage 3 zum Betriebsprüfungsbericht). Die Anwendung eines vereinfachten „Zeit-Reihen-Vergleichs” führte auf der Basis von 10 Wochenauswertungen zu Abweichnungen von den im Rahmen der Richtsätze liegenden Rohgewinnaufschlägen. Der Antragsgegner (Ag.) nahm dementsprechend Gewinnzuschläge in Höhe von 120.000,00 (1998), 120.000,00 (1999) und 45.000,00 (2000) vor. Die zugehörigen Umsatzsteuererhöhungen betrugen 10.335,00 DM, 12.180,00 DM bzw. 4.770,00 DM. Außerdem wurde ein Mietaufwand „D” mit einer Gewinnauswirkung von 4.967,39 DM und einer Vorsteuerkürzung von 784,53 DM storniert (Textziffer 2.5).
Die auf Grund des Betriebsprüfungsberichtes ergangenen Einkommensteueränderungsbescheide vom 06.05.2003 setzten folgende Einkommensteuerbeträge in DM fest:
1998: |
58.072,00 DM |
1999: |
0,00 DM |
2000: |
446,00 DM. |
Die Änderungsbescheide ergingen gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO).
Die gemäß § 164 Abs. 2 AO ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheide vom 06.05.2003 setzten – umgerechnet in DM – folgende Steuern fest:
1998: |
95.356,00 DM |
1999: |
85.438,00 DM |
2000: |
95.813,00 DM. |
Mit Einspruchsschreiben vom 03.06.2003 (Eingang 03.06.2003) wendet sich der Ast. gegen diese Festsetzungen. Er macht geltend, der Ag. habe zu Unrecht die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung verneint. Kassenstreifen hätten lediglich eine Transportfunktion bis zur Eintragung in den Kassenbericht. Es sei nicht notwendig, dass Kassenbericht und Registrierstreifen gleichzeitig vorliegen müssten. Wenn ein Kassenbericht erstellt worden sei, könnten die Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons vernichtet werden (BStBl. II 1971, 729; 78, 307; BFH/NV 85, 12). Der Ermittlung des Personalbedarfs lägen falsche Ermittlungsmethoden zu Grunde (vgl. Einspruchsscheiben vom 03.06.2003).
Der Zeit-Reihen-Vergleich enthalte grobe systematische Fehler. Beim Wareneinkauf sei vom gebuchten Rechnungsdatum ausgegangen worden. Bestandsveränderungen seien nicht berücksichtigt worden. Außerdem seien Warenentnahmen abgezogen worden. Nicht berücksichtigt worden seien Lagerkapazitäten, durch die der Ast. bei Schaschlikspießen und Koteletts langfristige Lagerhaltung habe vornehmen können.
Die Kürzung in Textziffer 2.5 sei unberechtigt, wie sich aus einem Schreiben der Rechtsanwälte T vom 10.08.1998 ergebe.
Der Ast. beantragt unter Bezugnahmen auf die Berechnungen im Einspruchsschreiben,
die Einkommensteuer 1998 bis 2000 in Höhe von 36.745,92 EURO und die Umsatzsteuer 1998 bis 2000 in Höhe von 17.081,06 EURO von der Vollziehung auszusetzen.
Der Ag. beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Ag. hat die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung mit Bescheiden vom 30.06.2003 und Einspruchsentscheidung vom 22.07.2003 abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist betreffend Einkommensteuer 1999 mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig, weil der angefochtene Bescheid keine Beschwer enthält. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweis...