Entscheidungsstichwort (Thema)
Folgen der Auflösung einer englischen Limited
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Auflösung einer englischen Limited führt nach englischem Gesellschaftsrecht unmittelbar zur Beendigung der Gesellschaft.
2) Die englische Limited wird in diesem Fall nicht mehr durch ihre bisherigen Organe (bzw. den "directors") vertreten.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 6; ZPO § 86; FGO § 62 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten um die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns aus einem Grundstücksverkauf.
Die ASt. ist eine aufgelöste Gesellschaft in der Rechtsform einer „private company limited by shares” (Limited) nach englischem Recht. Laut den in den Steuerakten vorhandenen Unterlagen des englischen Companies House wurde die ASt. dort am … 2006 unter der Company Number … eingetragen („date of incorporation”) und am … 2009 aufgelöst („dissolved”). Gegenstand des Unternehmens der ASt. („nature of business”) war … Als „registered office” ist eine Adresse in England angegeben (…). Unter „share Capital” ist angegeben, dass ein Anteil („share”) zu … ausgegeben wurde. Alleiniger Gesellschafter („shareholder”) war Herr … (A), für den eine Adresse in Deutschland angegeben ist (…). Dieser ist zugleich als „director” der ASt. angegeben. Als „accounting reference date” ist der … angegeben. Es liegt eine beim Companies House eingereichte Gewinnermittlung („annual accounts”) der ASt. zum … 2007 vor, die von der X-GmbH Steuerberatungsgesellschaft aus … erstellt wurde. Die Gewinnermittlung ist unter dem Datum vom… 2008 von A unterschrieben.
Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung war das FA der Auffassung, die ASt. habe aus dem An- und Verkauf eines in Deutschland belegenen Grundstücks einen Veräußerungsgewinn von … EUR erzielt, mit dem diese entweder nach § 1 KStG unbeschränkt oder nach § 2 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG beschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Unter dem Datum vom 17.8.2009 erließ das FA einen an A als gesetzlichen Vertreter der ASt. adressierten und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO stehenden Bescheid über Körperschaftsteuer 2007.
Gegen den vorgenannten Bescheid legte die X-GmbH Steuerberatungsgesellschaft im Namen der ASt. Einspruch ein und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung (AdV). Den Antrag auf AdV lehnte das FA mit Schreiben vom 1.10.2009 ab. Mit einer wiederum an A als gesetzlichen Vertreter der ASt. gerichteten Einspruchsentscheidung vom 20.9.2010 wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob die Y-GbR Rechtsanwälte Steuerberater als Prozessvertreter im Namen der ASt. Klage, die beim FG Münster unter dem Aktenzeichen 9 K 3871/10 geführt wird. Zugleich stellte sie den vorliegenden Antrag auf AdV. Hierbei reichte sie eine vom 19.10.2010 datierende und offenbar von A unterzeichnete Prozessvollmacht ein, in der als Sache „… Ltd. ./. Finanzamt …” und als Gegenstand des Mandats „Klage gegen KSt 2007” bezeichnet war.
Der Berichterstatter hat im vorliegenden Verfahren auf die Frage hingewiesen, ob bei einer aufgelösten („dissolved”) englischen Limited der bisherige „director” weiterhin vertretungsbefugt und die ASt. daher handlungs- und prozessfähig sowie die von A erteilte Prozessvollmacht wirksam sei (siehe gerichtliches Schreiben vom 4.3.2011, Bl. 63 f. der GA).
Der für die ASt. auftretende Prozessvertreter macht geltend, eine aufgelöste („dissolved”) englische Limited bestehe in Deutschland als „Restgesellschaft” fort und werde weiterhin durch das bisherige Vertretungsorgan vertreten. Darüber hinaus sei er bereits mit einer Vollmacht vom 21.7.2009 und damit noch vor der Auflösung („dissolution”) der ASt. von A zur steuerlichen Vertretung bevollmächtigt worden. Hierzu hat er eine weitere Vollmacht (in Kopie) mit dem vorgenannten Datum eingereicht, in der als Sache „A” und als Gegenstand des Mandats „steuerliche Vertretung” bezeichnet war (Bl. 157 der GA). Zum Grund der Auflösung („disssolution”) trägt er vor, dass (vermutlich) nach dem Immobilienverkauf keine geschäftliche Tätigkeit mehr ausgeübt und keine Erklärungen bzw. Abschlüsse nach englischem Recht mehr abgegeben worden seien, so dass eine Löschung im Register von Amts wegen erfolgt sei.
Die ASt. beantragt,
die Vollziehung des Bescheids über Körperschaftsteuer für 2007 vom 17.8.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.9.2010 auszusetzen.
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das FA ist ebenfalls der Auffassung, dass die ASt. als „Restgesellschaft” fortbestehe und weiterhin von A als bisherigem „director” vertreten werde. Der Antrag sei jedoch als unbegründet abzulehnen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Der für die ASt. auftretende Prozessvertreter hat seine Bevollmächtigung nicht durch eine wirksam erteilte schriftliche Vollmacht nachgewiesen (§ 62 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 FGO). Der Mangel der Vollmacht war vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigen, obwohl das FA diesen nicht gerügt hat und der Prozessvertreter eine Gesellschaft i.S.v. § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO ist....