Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Zulässigkeit eines Antrags auf Aufhebung d. Vollziehung von USt-Bescheiden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Ein nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrechterhaltener und vom Insolvenzverwalter durch erklärte Aufnahme des Verfahrens weiterverfolgter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung von USt-Bescheiden ist unzulässig. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Stpfl., der eine Aufhebung der Vollziehung ihm erteilter Steuerbescheide begehrt, ist das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag entfallen.
Normenkette
AO § 251 Abs. 2 S. 1; InsO § 87
Tatbestand
I.
Fraglich ist, ob das Rechtsschutzbedürfnis für den von der jetzigen Insolvenzschuldnerin (I.) gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Umsatzsteuer(USt)-Bescheide für 2014 und für 2015 und der USt-Bescheide für die Voranmeldungszeitraume (VZ) 1/2016 bis 3/2016 entfallen ist, nachdem im Laufe des hiesigen Verfahrens das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. eröffnet wurde.
Die I. betrieb einen Handel mit Elektroartikeln, insbesondere mit Computerhardware und Computersoftware und belieferte u.a. Kunden in verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.
Der Antragsgegner (Ag.) erließ unter dem 23.06.2016 gegen die I. eine Arrestanordnung zur Sicherung der USt für 2014 und 2015 sowie die USt-VZ 1/2016 bis 3/2016 in Höhe von insgesamt xxx €. Auf Grund der Feststellungen der französischen Steuerfahndung und des Finanzamtes für Steuerstrafsachen C stehe fest, dass in Höhe des Arrestbetrages bisher von der I. als umsatzsteuerfrei erklärte Umsätze gemäß § 4 Nr. 1b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit § 6a UStG der USt zu unterwerfen seien. Die I. habe in Höhe des Arrestbetrags die Umsatzsteuerfreiheit ihrer Lieferungen durch bewusste Verschleierung von Erwerberidentitäten und durch die Konstruktion unüberschaubarer Lieferketten ins Ausland fingiert. Entgegen den von der I. ausgestellten Rechnungen seien die Waren nicht an die in Zypern bzw. Großbritannien ansässigen Rechnungsempfänger, sondern an Logistikplattformen in Frankreich geliefert worden.
Unter dem 23.06.2016 erließ der Ag. ferner USt-Bescheide für 2014 und 2015 und unter dem 28.06.2016 für die VZ 1/2016 bis 3/2016. Für 2014 setzte der Ag. die USt auf xxx €, für 2015 auf xxx €, für 1/2016 auf xxx €, für 2/2016 auf xxx € und für 3/2016 auf xxx € fest und stellte die in den Bescheiden ausgewiesenen Abschlusszahlungen von xxx € für 2014, von xxx € für 2015, von xxx € für 1/2016, von xxx € für 2/2016 und 2/2016 für 3/2016 sofort fällig.
Die USt-Bescheide wurden der I. nach Angaben des Ag. zugleich mit der Arrestanordnung übergeben.
Gegen die USt-Bescheide legte die I. am 04.07.2016 Einsprüche ein, über die der Ag. nach Aktenlage noch nicht entschieden hat. Verbunden waren die Einsprüche mit Anträgen auf Aufhebung der Vollziehung der USt-Bescheide, soweit bereits Zahlungen geleistet worden seien, und Aussetzung der Vollziehung der USt-Bescheide im Übrigen.
Mit Verfügung vom 18.07.2016 lehnte der Ag. die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung ab, weil keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide beständen. Auf Grund des mit Dritten vereinbarten Tatplanes habe die I. Waren in gesteuerten Lieferketten nach Frankreich verbracht. Die in die Lieferketten als sog. „missing trader” eingeschalteten Unternehmen hätten die innergemeinschaftlichen Erwerbe nicht gegenüber den französischen Finanzbehörden erklärt und die auf die Einfuhren entfallende USt nicht abgeführt. Um die Identität der tatsächlichen Abnehmer der Waren zu verschleiern, habe die I. gemäß dem gemeinschaftlichen Tatplan die nach Frankreich erfolgten Lieferungen zum Schein anderen, im EU-Ausland, aber nicht in Frankreich ansässigen Unternehmen in Rechnung gestellt. Die Rechnungsadressaten hätten zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die an sie abgerechneten Waren erlangt.
Am 02.08.2016 beantragte I., vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, die gerichtliche Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide ohne Sicherheitsleistung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Eine Aufhebung der Vollziehung der Bescheide sei geboten, weil die in den Bescheiden ausgewiesenen Abschlusszahlungen bereits ausgeglichen worden seien. Materiellrechtlich begründete die I. ihre Anträge mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts durch die streitgegenständlichen Bescheide.
Durch Beschluss vom 00.00.2017 (x IN xxx/xx) eröffnete das Amtsgericht (AG) Q wegen Zahlungsunfähigkeit das derzeit noch anhängige Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. und bestellte den Rechtsanwalt RA zum Insolvenzverwalter. Mit am gleichen Tag beim Gericht eingegangenen Schreiben vom 14.02.2017 erklärte der Insolvenzverwalter „die Aufnahme des Verfahrens” und teilte mit, dass er im Verfahren durch die bisherigen Prozessbevollmächtigten der I. vertreten werde.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung der USt-Bescheide für 2014 und für 2015 vom 23.06....